nommen. Ich versteckte meinen Holzlöffel im Hosenbein. Die Durch­suchung fand im Klubraum für die Angestellten des Sammelpunktes statt, und da sah ich zu meinem Vergnügen ein Bild des Volkskommissars Jeshow an der Wand hängen, der schon eine ganze Weile verhaftet und nicht mehr unter den Lebenden war. Man hatte vergessen, ihn mit Beria auszutauschen. Da merkte man: Moskau war weit..

Dann fuhren wir drei Stationen mit der Eisenbahn, immer durch Lagergebiet, und wurden in Sharik ausgeladen. Von dort aus ging es un­gefähr zehn Kilometer zu Fuß durch die öde, flache Steppenlandschaft, wo kein Baum und kein Strauch wächst. Fern am Horizont sah man Ge­birgszüge. Karaganda liegt in der Kasakstanschen Steppe. Früher hieß diese Gegend die ,, Hungersteppe", und das ist sehr zutreffend. Hier hatte es bis Ende der zwanziger Jahre keine festen Siedlungen gegeben. Die Kasaken lebten als Nomaden und zogen mit ihren Viehherden von Wasserstelle zu Wasserstelle, denn nur dort gedeiht im Sommer das Gras. Wohl um das Jahr 1932 hatte man begonnen, die Steppe zu kulti­vieren. Diese ehrenvolle Aufgabe kam den Häftlingen zu. Man ver­suchte den Anbau von Sonnenblumen, Weizen und Steppengerste. Wenn es im Frühjahr einige Male regnete, konnte die Ernte von diesem jung­fräulichen Boden sehr gut werden, blieb aber dieser Regen aus, so ver­brannte die Sonne alles erbarmungslos. In den Jahren 1938 und 1939 waren schlechte Ernten. Da das Lager Karaganda sich nicht selbst er­halten konnte, sondern ein sogenanntes Zuschuẞlager war, bekam es vom Staat eine sehr minimale Zuteilung, und deshalb war unsere Ernährung besonders dürftig. Karaganda galt als ein Lager für leichte landwirt­schaftliche Arbeit. Es gelang mir nicht festzustellen, wie groß dieses riesige Lagergebiet war. Ich weiß nur von fünf Rayonabschnitten, die etwa vierzig bis fünfzig Kilometer voneinander entfernt lagen. Jeder Rayon hatte wiederum eine ganze Reihe von Unterabschnitten, die meist nur aus einigen Viehställen und jämmerlichen Lehmhütten für Männer und Frauen bestanden.

7. DER RAYONABSCHNITT BURMA

IN DER KASAKSTANSCHEN STEPPE

Unser Transport wurde in die Badestube von Burma geführt. Dort war wieder das gleiche Bild: Entlausung, Männer im Baderaum, ratio­niertes heißes Wasser. Aber Burma war so überfüllt, daß wir Zugänge keinen Platz in einer Baracke bekamen, sondern in der feuchten Bade­stube übernachten mußten. Am nächsten Tage gingen wir im Lager um­her und besahen uns unsere neue Heimat. Die Badestube lag etwas abseits von der, Hauptstraße" Burmas. Richtige Straßen gab es im ganzen Lager Karaganda nicht, nur getretene Pfade oder von Ochsen­wagen und Lastautos eingefahrene Wege. Hinter der Badestube war eine

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