als Kopfkissen. Aber man mußte sich nicht nur vor Dieben schützen, sondern auch vor den Tausenden von Wanzen. Völlig angezogen, mit Handschuhen, die mit einer Schnur fest um die Handgelenke gebunden wurden, einem Kopftuch und über das Gesicht ein Tuch gebunden, in das zwei kleine Löcher gebohrt waren, um atmen zu können: so sah die Nachtbekleidung aus. Aber die Wanzen sind sehr klug und fanden immer noch eine Ritze, durch die sie hereinschlüpfen konnten; sie krochen sogar in die Nasenlöcher.

In dieser ersten Nacht tobte draußen ein Schneesturm. Ich lag mit dem Kopf gegen das kleine Barackenfenster und war noch nicht lange eingeschlafen, als plötzlich Schnee über mich wehte und ich erschreckt auffuhr. Da merkte ich, daß man hinter mir die Fensterscheibe heraus­geschnitten und mir das Bündel unter dem Kopf weggezogen hatte. Die Diebe waren wirklich Fachleute.

Am nächsten Morgen meldete ich den Diebstahl bei der Baracken­ältesten und fragte, ob man nicht irgend etwas unternehmen könnte, um die Sachen zurück zu bekommen. Sie schüttelte bedauernd den Kopf. ,, Das hat überhaupt keinen Zweck. Wer weiß, ob nicht einer von der Bewachungsmannschaft mit daran beteiligt ist."- ,, Aber in der Ski­bluse befinden sich meine sämtlichen Quittungen und Ausweise, die ich vom Untersuchungsgefängnis für zurückgebliebene Sachen und Geld be­kommen habe", wandte ich ein. ,, Da können wir einen Versuch machen. Wer Wenn du einverstanden bist, schicken wir einen Unterhändler in die Männerbaracke und lassen mitteilen, daß die Ausländerin auf ihre Lumpen verzichtet, ihre Dokumente aber zurück haben möchte." Ich willigte ein. Nach kurzer Zeit erschien vor meinen Brettern ein elegant gekleideter Jüngling, der einen modernen Mantel mit wattierten Schul­tern trug und eine Pelzmütze kokett auf einem Ohr sitzen hatte. ,, Sind Sie die Ausländerin, die ihre Papiere zurück haben möchte?" Lächelnd überreichte er sie mir. Ich bin überzeugt, daß eben dieser junge Mann der Dieb war.

Das war meine erste Lehre, aber trotz größter Vorsicht besaß ich in kurzer Zeit nur noch die Sachen, die ich am Leibe trug.

Die Kriminellen sind in Sibirien die Häftlingsgattung, der es am besten geht, sie haben die einträglichsten Posten inne, halten fest zu­sammen und sind, man könnte fast sagen, organisiert. Für sie bedeutet die Haft keine Unterbrechung ihres gewohnten Daseins wie bei den Politischen, es ist einfach ihre Art des gesellschaftlichen Lebens. Verfügt ein führender Mann unter den Kriminellen z. B., daß am nächsten Tage nicht gearbeitet wird, so wagt kein Krimineller, gegen seinen Befehl zu handeln, obgleich nach der Lagerordnung von Karaganda auf 25 Ar­beitsverweigerungen Todesstrafe stand. Die Kriminellen blicken voller Verachtung auf die Politischen herab, auf die Feinde der Sowjetunion ,

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