machen, der ist allein mit uns hier in der Waschküchenbaracke." Ich begann auf ihn einzureden, erklärte ihm, daß wir Deutsche seien und bei uns solche Angelegenheiten nicht auf diese Weise geregelt würden. Er lachte schallend: ,, So, Deutsche seid ihr, nein, Häftlinge seid ihr in Karaganda , und wenn ihr das nicht lernt, so werdet ihr bald verhungern." Nach einigem weiteren Hin und Her stellte er wahrscheinlich fest, daß wir zu blöde seien und gab seine Bemühungen auf.
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Im Quarantänepunkt stand eine Baracke, die besonders eingezäunt war und in der sich Häftlinge befanden, die nach Beendigung ihrer Lagerhaft in die Freiheit kamen. Wir erfuhren, daß unter ihnen zwei Polinnen waren, die ihre fünf Jahre bereits abgebüßt hatten, nun aber plötzlich ohne Angabe von Gründen aus der Entlassungsbaracke wieder zurückgebracht worden waren und ,, bis auf weiteres" im Lager blieben. Einmal sahen wir dort von weitem einen Transport in die Freiheit gehen. In Lagerlumpen, mit irgend einem Bündelchen auf dem Rücken, stapften sie durch den Schnee davon. Und wir standen da mit zitternden Herzen. Ob wir auch einmal, nach fünf, nach acht, nach zehn Jahren so wie diese da in Lumpen, aber doch noch einmal die Freiheit erleben werden? Noch einmal ohne aufgepflanztes Bajonett hinter sich, ohne Stacheldraht, ohne ,, Dawaj"-Gebrüll?
Nach vierzehn Tagen wurde unser Transport in den Sammelpunkt des Lagers Karaganda überführt. Dort herrschte ein ganz anderes Leben. In mehreren großen, hohen Holzbaracken lagen Hunderte von Menschen, die auf ihren Abtransport in die einzelnen Rayonabschnitte des riesigen Lagers Karaganda warteten. Die Frauenbaracke war ein durchgehender großer Raum. An den Wänden waren primitive Holzpritschen aufgeschlagen. Es war geheizt, und durchschnittlich herrschte eine Temperatur von zehn bis zwölf Grad Wärme. Alles war verwanzt. Die Wanzen hingen unter den Brettern in dichten Trauben herab und stürzten sich des Nachts über die Schlafenden. Wir hatten in Karaganda , Gott sei Dank, Kohle, denn das Lagergebiet reichte bis an das Kohlenbecken von Karaganda , in dem auch Häftlinge arbeiteten. Hier, im Sammelpunkt, sah ich zum ersten Male kriminelle und asoziale Häftlinge in großen Mengen, außerdem viele in einer erschreckenden Weise zerlumpte und heruntergekommene Menschen. Wenn mittags die dünne Sojasuppe ausgeteilt wurde, gingen alte, zerlumpte Männer herum, hielten flehend ihre Konservenbüchsen hin und bettelten um ein wenig von dieser ,, Ballanda".
Es kam die erste Nacht im Sammelpunkt. Man hatte uns von allen Seiten gewarnt, auf unsere Sachen achtzugeben, da die Kriminellen und Asozialen wie die Raben stahlen. Da war es das beste, sich auf seine Besitztümer zu legen, und der Sack mit dem Rest meiner Habe diente mir
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