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man sich auch waschen könnte. Wir gingen zur Verwaltung und brachten unser Anliegen vor. Die staunten über einen so ungewöhnlichen Einfall und fragten, was für eine Arbeit wir machen möchten., Gibt es hier nicht eine Waschküche?" ,, Aber natürlich." Man schickte uns zum Aufseher der Waschküche, die in der gleichen Baracke wie die Badestube unter­gebracht war. Der Aufseher war ein Häftling. So, ihr wollt hier ar­beiten", sagte er. ,, Das Pensum ist pro Mann 75 Stück Wäsche täglich, und dazu gibt es ein Stück Seife." Die Seife war so groß wie eine Streichholzschachtel. Er warf uns die Wäsche auf den Boden, es waren für jeden 75 Männerhemden und-unterhosen. Als wir uns die Sachen näher ansahen, merkten wir, daß die Wäsche nur so von Kleiderläusen kribbelte und wibbelte. Wir überlegten, daß es das beste sei, sie erst mit heißem Wasser zu übergießen, um die Läuse zu töten und dann erst die Wäsche zu waschen. In der Waschküche gab es einen Wasserträger, denn in der Steppe muß man das Wasser aus Ziehbrunnen holen. Er füllte uns den Waschkessel. Wir machten ein munteres Feuer und be­gannen zu arbeiten. Da standen wir am Waschtrog und rubbelten auf den dreckigen Hosen und Hemden herum. Neben uns lehnte der Wasser­träger, der eine ganz furchtbare Visage hatte. Er war, wie wir später erfuhren, im Zivilberuf Dieb. Nachdem er eine Weile zugesehen hatte, sagte er freundlich: ,, Was macht ihr eigentlich? So ist das nicht gut. Ihr müßt auf Lagermanier waschen, auf Lagermanier!" Wir guckten er­staunt. ,, Wie geht denn das?" ,, Man nimmt die Seife, steckt sie in die Tasche, und die Wäsche schmeißt man in den Kessel und läßt sie eine Weile gut durchkochen." Das leuchtete uns allerdings ein und wir dankten für den guten Rat. Als wir noch mit der Wäsche beschäftigt waren, kam unser Dieb wieder an und sah uns mit Wohlgefallen zu. Und fragte ohne jede nähere Erklärung: ,, Wollt ihr ein Butterbrot und eine Gurke haben?" Wir waren starr über dieses Maß von Freundlichkeit. ,, Sicher, wenn Sie so etwas haben und uns schenken wollen!" Er ging fort und kam wahrhaftig mit zwei Butterbroten und zwei sauren Gurken zurück. Wir dankten ihm strahlend und aẞen alles heißhungrig auf. Kaum war der letzte Bissen hinuntergeschluckt, als sich der Dieb vertrauens­voll näherte. Ich muß einfügen, daß Grete Sonntag, außer einem rus­sischen Fluch, kein Wort russisch sprach oder verstand. Er beugte sich zu mir und flüsterte: Paidjom, krusnitza sammoj!"( Komm, wir wollen uns umeinander drehen!) Und dabei drehte er die Daumen umeinander und machte eine einladende Kopfbewegung in der Richtung zur Bade­stube hin. ,, Was sagen Sie? Ich kann nichts verstehen, ich spreche schlecht russisch. Was wollen Sie von mir?" Als er noch einige andere Hand­bewegungen hinzufügte, war kein Zweifel mehr, unser Dieb wollte die Rechnung für Butterbrote und Gurken einkassieren. Ich erklärte in nicht geringer Aufregung Grete Sonntag die Situation. ,, Was sollen wir nun

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