Problem. Einige Holzsplitter konnten wir retten. Dann nahm ich die umgedrehte Axt und begann, die Steinkohlenklumpen zu zerkleinern. Darauf war aber die Axt nicht eingerichtet. Die Scheide lockerte sich, und als ich kräftig zum Schlag ausholte, flog mir die Axt an den Kopf. Wäre der nicht so gut gebaut gewesen, hätte ich mir viele Jahre Kon­zentrationslager erspart. Als wir endlich Feuer gemacht hatten, qualmte der Ofen aus allen Ritzen, und wir hatten die Wahl zwischen Erfrieren und Ersticken.

Wenn wir uns in der Erdhütte waschen wollten, kletterten wir her­aus, holten uns eine Konservenbüchse voll Schnee und ließen ihn auf. tauen. Das war unser Waschwasser. Die Frauen mußten noch nicht ar­beiten, und es ist kaum zu glauben, wie sie es unter diesen erbärmlichen Umständen fertig gebracht haben, sich ,, schön zu machen". Dann gingen sie hinaus in die strahlende sibirische Sonne, dorthin, wo die Männer, die mit unserem Transport gekommen waren, damit beschäftigt wurden, Löcher in den hartgefrorenen Boden zu schlagen und Pfähle einzu­rammen. Sie begrüßten die Männer, flirteten und lachten mit ihnen. Und wie erbärmlich sahen diese Männerhäftlinge aus. Vor dickem Bartwuchs konnte man überhaupt keine Gesichter sehen. Ihre Bewegungen waren schlaff und kraftlos, die Mäntel schlotterten nur so um ihre Körper. Aber wenn sich die Frauen näherten, begannen auch sie sich zu er­muntern. Drei der Männer aus unserem Transport waren zu 25 Jahren Konzentrationslager verurteilt worden. Der eine, Valery Alexandrowitsch, ein Zootechniker, war für die Viehzucht auf mehreren Gütern verant­wortlich gewesen. Unter dem Viehbestand war eine Seuche ausgebrochen und mehrere hundert Tiere krepiert. Dafür wurde er wegen Sabotage zu 25 Jahren verurteilt. Der andere, ein Mitarbeiter Mitschurins, des be­rühmten Obst- und Getreidezüchters der Sowjetunion , erzählte uns, daß nach dem Tode Mitschurins dessen gesamter Mitarbeiterstab verhaftet und der konterrevolutionären Tätigkeit gegen den Sowjetstaat angeklagt wurde. Er war ein Arbeiter, der sich für die Tätigkeit Mitschurins be­geistert hatte. Der dritte, ein Ingenieur, dessen Mutter Französin war und in Frankreich lebte, hatte mit ihr korrespondiert und kritische Be­merkungen über Vorgänge in Sowjetrußland gemacht.

Am Abend des dritten Tages klopfte es an die Tür unserer Hütte, und herein trat ein hochgewachsener, schöner junger Mann. Es war Valery Alexandrowitsch, der sich rasiert hatte. Die Ursache dieser Ver­wandlung war Nadja Bereskina. In unserem Transport gab es die erste Liebelei.

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Nach einigen Tagen überlegten Grete Sonntag und ich, ob es nicht besser sei, irgendwo zu arbeiten, anstatt in unserer Erdhütte zu frieren oder zu ersticken. Vielleicht ließ sich irgend eine Arbeit finden, bei der

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