mußten zur Entlausung abgegeben werden. Jeder versuchte davor zu retten, was er konnte, denn es war bekannt, daß dabei nicht nur die Sachen versengt wurden, sondern mit noch mehr Läusen zurück kamen. In dieser Badestube hatten Männer die Aufsicht. Und die Proteste der Frauen, sie möchten die Badestube verlassen, wurden mit Gelächter beantwortet. Und man gewöhnte sich auch daran. Jeder Häftling erhielt eine Blechmarke, auf die er beim Wasserkessel eine halbe Holzbütte voll heißen Wassers bekam. Die sibirische Lagerbadestube ist ein stinkender, feucht- glitschiger Raum, wo die Frauen eng aneinander stehen, nirgends ein trockener Fleck, wo man ein Kleidungsstück ablegen könnte, oft kommt es zu den wütendsten Auseinandersetzungen, wenn einer etwas mehr Wasser ergattert als der andere. Und in diesem Gewühl ging ein Mann hin und her und füllte die Wassertonnen, wozu er natürlich später genug Zeit gehabt hätte, aber er ließ sich das Vergnügen nicht entgehen, beim Vorbeigehen die nackten Frauen auf den Hintern zu klopfen, worauf jedesmal ein lautes Keifen antwortete, was ihn aber nur noch mehr ermuntérte.
Im Quarantänepunkt des Lagers Karaganda waren wir in einer Erdhütte untergebracht, einer Lehmbaracke, bei der das Dach bis auf den Erdboden reichte und die Wohnräume sich unter der Erde befanden. Die Erdhütte ist wie ein Keller, im Winter sieht man von ihr nur einen großen Schneehaufen, und wenn es über Nacht geschneit hat, muß man sich am Morgen durch den Schnee graben. In der Semljanka( Erdhütte) war ein großer Raum mit einem ganz zerplatzten Lehmofen, roh zusammengeschlagenen Brettern als Schlafstätten und auf dem Lehmfußboden der Schmutz und die Hinterlassenschaften von vielen vor uns durchgegangenen Transporten.
In einem kleinen Vorraum lag ein Haufen großer Steinkohlenklumpen, daneben eine Axt, aber nirgendwo auch nur das kleinste Stück Holz. Wie soll man da Feuer machen? Ich stieg die Treppe hinauf und begab mich auf die Suche nach Brennholz. Hier im Quarantänepunkt konnten wir uns zum ersten Mal ,, frei" bewegen, waren nicht mehr in eine Zelle eingeschlossen und wurden auch nicht auf Schritt und Tritt bewacht. Um den Quarantänepunkt war ein Stacheldrahtzaun und an jeder Ecke ein Wachturm. Aber man konnte zwischen den verschiedenen Baracken und Erdhütten umhergehen. Da sah ich vor einem Schuppen Kisten liegen, also das gesuchte Holz, ergriff eine davon, lief zurück in unsere Hütte und machte mich gleich an die Arbeit, das Holz zu zerhacken. Doch kam ich nicht weit damit, ein Mann kam die Treppe heruntergestürzt und packte mich unter Flüchen am Arm: Los! Mit zum Natschalnik! Kisten klauen, das könnte dir so passen!" Wenn meine Mithäftlinge nicht für mich eingetreten wären, hätte der erste Tag meines Lagerdaseins im Arrest geendet. Nun standen wir vor demselben
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