gab es auch solche Methoden, mit dem Untersuchungsrichter fertig zu werden, bei denen rasierte Beine eine Rolle spielten? Eine andere ging nie ohne Handtuch zum Verhör, und die Frauen fanden nur eine Deutung für diese Gewohnheit.
Der Einkauf war ein großes Fest in Zelle 31. Alle Häftlinge, die Geld auf einem Konto im Gefängnis hatten, entweder mitgebrachtes oder von Verwandten mit den monatlichen 50 Rubel eingezahltes, konnten sich am Einkauf beteiligen. Wenn die Zelle keine Strafe hatte, kam das ungefähr im Monat einmal vor. Da wurde eine genaue Liste aufgeführt, was jeder haben wollte. Es gab Brot, Heringe, Bonbons, Zucker, Seife, manchmal sogar Wurst oder Käse. Von Handtüchern und Unterhemden berichtete ich schon. Einige Häftlinge wurden zur Kantine geführt, um die Sachen abzuholen. An so einem Tag herrschte eine geradezu feierliche Stimmung in der Zelle, man konnte fast vergessen, daß man in Butirki saß. Von dem Gesamteinkauf wurde ein bestimmter Teil für die ,, Habenichtse" zurückbehalten, außerdem war es Pflicht jedes Geldbesitzers, mindestens einen ,, Habenichts" mitzuversorgen. Dann wurden die Schätze auf dem Tisch ausgebreitet und die Verteilung begann.
Mein erster Geburtstag im Gefängnis fiel in die Zeit der Untersuchungshaft in Butirki. Auf irgendeiner Liste hatte Tasso den Tag bemerkt. Nach der Mittagssuppe hatte ich wie immer an der Wand gelehnt und geschlafen. Als ich erwachte, breitete sich zu meinen Füßen ein wunderschöner Geburtstagstisch aus. Einige gestickte Handtücher waren die Tischdecke, in einem Blechnapf, der auch mit einem Handtuch ausgelegt war, lagen Geschenke vom letzten Einkauf, in einer anderen Schüssel ,, belegte Brote". Mit einem Faden hatte man das Schwarzbrot in dünne Scheiben geschnitten und mit ,, Salat" belegt. Dieser Salat waren aus der Suppe gefischte Kohlstücke, die zerkleinert und mit Salz und Zwiebel vermengt als Delikatesse galten. Mit aus Brot geformten Buchstaben lag um den Geburtstagstisch herum der Glückwunsch: ,, Mögen alle Deine Wünsche in Erfüllung gehen!", und beim Erwachen überreichte mir Tasso ein„ Telegramm": in einem Bibliotheksbuch aus winzigen Brotbuchstaben: ,, Ich umarme Dich. Heinz." Auch eine aus Brot geformte Weinflasche stand auf diesem ,, Tisch " und in einer Brotvase drei Rosen, die man kunstvoll aus Zwiebeln geschnitten hatte. Tee wurde in die Becher geschenkt, wir stießen an und lachten, da ging plötzlich die Klappe an der Zellentür. Eine wütende Aufseherinnenstimme keifte: ,, Bringen Sie sofort her, was sie dort haben!" Wir versuchten, alles unter den Brettern verschwinden zu lassen, aber es war schon zu spät. Die Aufseherin hatte durch den ,, Spion" unserer Geburtstagsfeier zugesehen. Die ganze Zelle erhielt eine Meldung und acht Tage
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