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Tasso erklärte mir, daß sie ganz unberührt blieb. Dann aber kamen Bilder von Kindern und dann von Kinderleichen. Kurz vor der Ver­haftung war Tassos zweijähriges Töchterchen gestorben. Und dann ertönte durch die Lüftungsklappe eine Stimme: ,, Tasso, du lügst! Tasso, du lügst!"

Kurz darauf holte man sie zum Verhör. Der Untersuchungsrichter forderte sie auf zu gestehen. Sie behauptete nach wie vor, diesen Aus­spruch nicht getan zu haben. ,, Wir werden Sie sofort überführt haben", sagte höhnisch der Untersuchungsrichter. Die Tür ging auf, Tassos Mann wurde hereingeführt, begleitet von seinem Untersuchungsrichter. ,, Sein Aussehen", erzählte mir Tasso ,,, war erbarmungswürdig. Er wagte nicht, mich anzublicken. Sein Gesicht war abgezehrt. An seinen Handgelenken sah ich blutrote Striemen, wie von lange getragenen Fesseln. Mein Untersuchungsrichter sagte:, Werden Sie nun gestehen?"-, Ich habe nichts zu gestehen!" antwortete ich., Dann werden wir gezwungen sein, durch die Aussagen Ihres Mannes zu beweisen, daß Sie lügen! Darauf wandte sich der Untersuchungsrichter an meinen Mann und fragte:, Was hat Ihre Frau gesagt, als sie damals gemeinsam durch die Räume Ihrer neuen Wohnung gingen? Das erstemal hob mein Mann den Kopf und warf mir einen ängstlichen Blick zu, dann blickte er seinem Unter­suchungsrichter ins Gesicht und sagte tonlos vor sich hin:, Das muß da weg!*, Daß du dich nicht schämst! Wie kannst du nur so lügen!" fuhr ich ihn an. Dann führte man meinen Mann hinaus. Auf diese Gegenüber­stellung hin wurde ich zu acht Jahren verurteilt!"

An der Zellenwand zwischen den beiden Fenstern hing eine auf Pappe geklebte Gefängnisordnung. Ich lebte erst einige Tage in Zelle 31 und hatte noch gar nicht den Mut gehabt, an die so weit entfernt liegende Wand zu krabbeln, um mich mit den Gefängnisgesetzen vertraut zu machen, da wurde sie aus der Zelle entfernt. Alles vermutete, daß nun neue, noch strengere Verordnungen erlassen würden. Aber schon nach einigen Tagen kehrte die Pappe zurück. Sie hatte nur eine andere Unter­schrift erhalten. Der alte Gefängniskommandant war seinem Chef Jeshow ins Gefängnis gefolgt. Zweimal wurde im Laufe meiner kurzen Unter­suchungshaft der Kommandant von Butirki ,, ausgewechselt" und ganz gegen Ende meines dortigen Aufenthaltes verschwand die gedruckte Gefängnisordnung überhaupt.

Besonders gefürchtet war der ,, Obysk", die Durchsuchung. Minde­stens alle vier Wochen wurde diese drakonische Maßnahme durchgeführt. Mitten in der Nacht ertönte der Ruf: ,, Die ganze Zelle fertigmachen mit Sachen!" In größter Eile steckte man seinen Besitz in den Sack. Jeder hatte nur den einen Gedanken: Alles Verbotene muẞ sofort ver­

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