-

-

99

99

-

99

Laufe des Jahres 1937 verhaftete man den Chef Abramow- Mirow und alle Mitarbeiter dieser Abteilung. Man erzählte, Abramow- Mirow sei angeklagt worden, für fünfzehn Länder Spionage betrieben zu haben... Käthes Anklage lautete auf Unterstützung der Spionagetätigkeit Abramow- Mirows"., Weißt du, Grete, ich habe gar keine Angst. Die Partei wird mich bestimmt retten. Die wissen doch, daß ich unschuldig Welche Partei meinst bin", sagte sie mit kindlich- gläubiger Stimme. du denn?" ,, Die KPD natürlich! Wilhelm Pieck kennt mich doch sehr gut!" Alle meine Einwände: ,, Du glaubst doch nicht etwa, daß der oder irgendein anderer der Übriggebliebenen auch nur einen Schritt für dich tun wird? Die sind doch nur Handlanger der NKWD , die mit Eifer alle ihre ehemaligen Genossen ausliefern, nur um ihr eigenes Fell zu retten", prallten an ihrer unerschütterlichen Naivität ab. Späterhin unterließ ich solche Gespräche. Erst 1940, als ich nach Deutschland ausgeliefert wurde, erfuhr ich von einer Deutschen , die aus Zentralsibirien kam, daß sie Käthe Schulz in Kotlas, auf dem Wege nach dem Fernen Osten begegnet sei. Sie war zu zehn Jahren Konzentrationslager verurteilt worden. Käthe war ein zartes Großstadtmädchen, die schon in der Untersuchungshaft oft in Ohnmacht fiel. Wie sollte sie zehn Jahre Sibirien überleben? Ich sehe sie immer vor mir, wie sie am Abend vor dem ,, Einschluß vorsichtig über die Liegenden stieg, in jeder Hand eine Streichholzschachtel, in der einen Vaseline, in der anderen Mentholsalbe, und mit leiser Stimme, wie ein Speiseeisverkäufer, rief: ,, Menthol, Vaseline, wer hat noch nicht? Wer will noch mal?" Die ganze Zelle liebte sie zärtlich.

Es gab noch eine Deutsche bei uns in Zelle 31, Grete Sonntag aus Mannheim - Viernheim . Ihr richtiger Name war Aenne Krüger. Sie saẞ schon acht Monate in Untersuchungshaft, als ich nach Butirki kam. Sie hatte zusammen mit ihrem Mann in der russischen Provinz in einer Lederfabrik gearbeitet, und man hatte beide am Vorabend des Revolu­tionsfeiertages 1937 verhaftet. Sie wurde der ,, konterrevolutionären Agitation" angeklagt. Den ganzen Tag über sprach sie kaum ein Wort. Ihr Gesicht war vor Erbitterung verzerrt. Die Mundwinkel hingen her­unter. Die dunkelbraunen, glatten Haare trug sie nachlässig am Hinter­kopf mit einer Schnur zusammengebunden. Ihre braunen Augen hatten den Blick eines gequälten Hundes. Ihre Sachen hütete sie peinlichst. Sie besaẞ nur, was sie am Leibe trug. Das wurde jeden Abend geglättet und auch das winzigste Löchlein sorgfältig gestopft. Ihr ganzer Stolz waren die hohen Stiefel, die sie in der Lederfabrik als Prämie für vorbildliche Arbeit bekommen hatte. Da sie kein Wort russisch sprach, fühlte sie sich durch die russischen Mithäftlinge ständig benachteiligt und ange­griffen. Sie behauptete, man spräche schlecht über sie. Und so wurde ihre Haltung von Tag zu Tag feindlicher. Es dauerte lange, bis sie mit mir über ihre Anklage sprach. ,, Ich war doch immer eine gute Kom­

36