weiß angestrichen und mit der Aufschrift„ Brot, Brötchen, Kuchen" versehen, also ein getarnter ,, Rabe".
Man öffnete einen winzigen Verschlag im Innern des Wagens, so groß wie ein Kasernenspind und schupste mich hinein. Noch einmal ging es in schneller Fahrt durch die Moskauer Straßen, in einen Schrank eingesperrt. Von ferne klingelten die Elektrischen und hupten die Autos... Die da draußen leben weiter, als ob nichts geschehen sei...
Der ,, Schwarze Rabe" bremste, fuhr langsamer, irgendein Tor wurde geöffnet. Wir waren angekommen. Ich hörte Frauenstimmen, mein Spind ging auf, und dann stand ich auf irgendeinem Hof zusammen mit etwa zehn Frauen, Alten und Jungen, mit Bündeln und Koffern.„ Dawaj! Dawaj!" kommandierten die Soldaten und drängten uns durch eine Tür in einen großen wartesaalähnlichen Raum. ,, Wo sind wir eigentlich?" Butirki."
,, In
Jede kam in eine Einzelzelle ohne Fenster. Die Aufnahmeformalitäten begannen. Der Koffer wurde weggenommen. Einen Kopfkissenbezug, darin die Decke und einige Wäschestücke, ließ man mir. Eine Aufseherin in Uniform der NKWD brachte mich durch Gänge, die von widerlich warmer Luft erfüllt waren, in eine Badestube. Während ich mich wusch, blickte das Auge ständig durch den Spion". Dieselbe Uniformierte geleitete mich dann durch eine Unzahl Korridore, wobei sie regelmäßig wie im Takt mit einem Vierkantschlüssel gegen das Koppelschloß pochte. Mit diesem Geklapper sollte sie entgegenkommende Häftlingsgeleite warnen. Denn niemals durften sich die Häftlinge verschiedener Zellen zu Gesicht bekommen. Auch Butirki hatte ein vorzüglich organisiertes Gefängnisregime.
Als Zelle 31 aufgeschlossen wurde, blieb ich entgeistert im Türrahmen stehen. Erst das ,, Dawaj!" und ein Stoß der zuklappenden Tür beförderten mich rein. Mein erster Gedanke war: eine Irrenanstalt! Hundert fast nackte Frauen hockten, lagen, kauerten dicht aneinander. Der ganze Raum war ein einziges Gewimmel. Die Luft kaum einzuatmen. Ein summendes Geräusch erfüllte die Zelle. Alles flüsterte. Keiner kümmerte sich um mich. Da stand ich mit meinem Bündel. Dann setzte ich mich verlegen auf den Rand der Bretter und starrte auf diese Menge Gesichter. Auf allen vieren drängte sich eine zu mir nach vorn, bis sie neben mir zu sitzen kam und flüsterte: ,, Du bist doch sicher eine Deutsche, das sieht man gleich?" Das war Käthe Schulz aus Berlin . Ein rotblondes, zartes Mädchen mit liebenswürdigem Kindergesicht, die leicht lispelnd ein unverfälschtes Berlinisch sprach. ,, Hier darfst du nur flüstern, ja nicht auf den Brettern laufen, nur krabbeln. Der reine Affenstall ist das! Die Zelle ist für 25 Frauen und jetzt sind wir schon 110. Ich werde der Starosta( Zellenälteste) Bescheid sagen, damit du einen Platz bekommst." Und schon kroch sie davon.
3 Buber: Gefangene.
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