ich meine erste Körpervisitation. Da wurde man genau so behandelt wie eine Prostituierte.

Wenn man sich auch noch soviele Monate mit dem Gedanken ver­traut gemacht hat, daß man eingesperrt wird, was es wirklich bedeutet, weiß man erst, wenn man hinter einer Tür ohne Klinke sitzt; aber was ein Häftling ist, was es heißt, über seinen Körper verfügen lassen zu müssen, das weiß man nach der ersten Körpervisitation in der Lubjanka. Von da ab war ich kein normaler Mensch mehr, hatte nur den Wunsch, mich zu rächen, nur einmal mit dem Absatz in dieses Gesicht treten zu können, in diese Fratze mit den Roẞhaaren.

Wieder stampfte hinter mir ein Soldat. Es ging über beleuchtete Gänge, Treppen herauf, bis er eine von den vielen Türen öffnete und ich in einem kleinen Raum mit drei Betten und einigen Schemeln stand. Durch ein vergittertes Fenster oben an der Wand kam Tageslicht herein. Auf einer Pritsche saß eine Frau in mittleren Jahren und kramte fried­lich in dem mitgebrachten Sack herum. Sie machte den Eindruck völliger Gefaßtheit. Staunend sah ich, daß sie mehrere kleine Säcke aus ihrem Bündel herauszog, Säcke in den verschiedensten Größen. Sie bemerkte meine Verwunderung und begann zu erklären: Der große Sack da ist für die Kleider, damit sie mir in Sibirien nicht gestohlen werden, der mittlere fürs Brot, der da für getrocknetes Brot, und in den kleinen kommt das Salz. Ja, ich habe mich diesmal besser vorbereitet als das vorige Mal. Da saß ich als, Shena'( Ehefrau), und sie haben mich nach ein paar Monaten wieder rausgelassen. Ich hatte Zeit, mich auf meine neue Verhaftung, in eigener Angelegenheit vorzubereiten." Es war mir nichts Neues, daß man Ehefrauen und erwachsene Kinder für die, poli­tischen Vergehen" des Mannes bzw. Vaters verantwortlich machte und verhaftete. Die Tür wurde aufgeschlossen und eine Neue kam herein, die erbärmlich weinte und ihre Unschuld beteuerte. Kurz darauf rief man mich und brachte mich in eine neue Zelle, in der nur zwei Pritschen standen. Vor dem Zellenfenster hing ein Blechkasten, so daß man den Himmel nicht sehen konnte, aber ich muß gestehen, daß ich gar nicht auf den Gedanken kam, einen Himmel zu suchen, die Angst vor dem Kommenden nahm mich ganz gefangen. Bei jedem Geräusch auf dem Gefängniskorridor starrte ich zur Tür. Das Schloß knackte, und ein junges Mädchen in gelbem Sommerkleid, frischem Gesicht und dunkel­braunen Locken trat ein. Mit einem Ruck setzte sie sich auf die Pritsche und schüttelte sich vor Lachen. Wie recht meine Mutter doch hatte!" prustete sie los. ,, Heute früh beim Abschied, ich habe das Kleid zum erstenmal angezogen, sagte sie: Vielleicht beginnt mit diesem neuen Kleid auch ein neuer Abschnitt deines Lebens.' Wie recht sie hatte, er hat schon begonnen!" Und ein neuer Heiterkeitsausbruch folgte. Unbe­kümmert erzählte sie dann, daß sie beim Verlassen der Universität ver­

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