Doch die Verhaftungen gingen weiter. Bela Khun und der größte Teil der ungarischen Emigranten waren an der Reihe. Im Februar 1938 wurde auch mein Freund H. J. geholt. Seine Frau stand nun mit mir zusammen in den Schlangen vor den verschiedenen Gefängnissen und suchte ihn Wochen um Wochen.
So war es Frühling geworden. Wir hatten schon aufgehört zu warten; der Koffer, der uns nach Sibirien begleiten sollte, war schon viele Male umgepackt worden. Immer mehr von seinem Inhalt wanderte auf den Freien Markt.
Sollte man mich vergessen haben? Das nicht. Nur den Haftbefehl hatte die NKWD wohl verlegt, denn als ich ihn in Händen hielt und entzifferte, stellte sich heraus, daß er schon am 15. Oktober 1937 ausgestellt worden war, aber erst am 19. Juli 1938 präsentiert wurde. Michailina hatte recht gehabt, man gewöhnt sich ans Verhaften. Die beiden eintretenden NKWD - Beamten mit ihrem: ,, Haben Sie Waffen?" und der Durchsuchung des Zimmers schreckten mich nicht mehr.
Als ich im Morgengrauen in einem Fordauto, den Koffer vor mir, zwischen zwei NKWD - Beamten durch die Straßen Moskaus in der Richtung zur Lubjanka fuhr, war eine beleuchtete Normaluhr und die Feststellung ,, Sowas wirst du lange nicht mehr sehen" mein letzter Eindruck in der Freiheit, die ich nun für sieben Jahre verlieren sollte. Dann fuhren wir in den Hof der Lubjanka ein; man führte mich durch irgendeine Pforte in eine kleine Zelle mit Tischchen und Schemel . Gleich darauf wurde mir ein langer Fragebogen, Tinte und Feder überbracht. Die Aufnahmeformalitäten begannen. Nachdem alles ausgefüllt war, führte mich ein Soldat in einen sogenannten ,, Sobatschnik"( Hundehütte). Das ist eine schmale Zelle ohne Fenster, mit einer Bank, auf der sitzend man mit den Knien fast die Tür berührt. Der ,, Spion", ein kleines Guckloch in der Tür, wurde alle zwei Minuten geöffnet, und das Auge eines Soldaten war zu sehen. Die Zelle hatte Licht. Von Zeit zu Zeit schaltete man irgendwo einen Ventilator ein, er brauste und durch ein Loch über der Tür strömte kühle, merkwürdig riechende Luft in die Zelle. Nach kurzer Zeit war ich tief eingeschlafen und erwachte erst, als man die Zellentür aufschloß und ich kopfüber herauspurzelte.
Ein Soldat führte mich wieder über Korridore. Alles war mit Fliesen belegt, und die Schritte klapperten wie in einem Hallenbad.
In einem Raum stand eine Frau mit weißer Schürze. Ihr Gesicht war eine Mischung von Krankenschwester und Marketenderin. Schüttere, dunkle Haare, wie eine aufgelockerte Roßhaarmatratze, bedeckten die Stirn, und eine hektische Röte überzog die Backenknochen. Dort erlebte
29


