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Durch ein Gespräch mit ihm wurde ich bald aufgeklärt. Nach der Arbeit saß er am Tisch und las die ,, Prawda". Plötzlich knurrte er wütend: ,, Diese Hunde brennen die Kirchen ab, diese Gottesleugner die ver­dammten!" Ich fragte ihn betroffen: Meinen Sie etwa die Republi­kaner?" ,, Na selbstverständlich meine ich dieses Pack!" Ich schwieg erschüttert. Die Haltung dieses einst revolutionären Arbeiters war sehr bezeichnend. Enttäuscht und verbittert über die Zustände in Sowjetruẞ­land war er zurückgekehrt zum Kirchenglauben, und die positive Ein­stellung der ,, Prawda" zu den spanischen Republikanern genügte für ihn, um sie fanatisch abzulehnen.

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Zwei Tage vor den Novemberfeierlichkeiten 1937 wurde die Ver­bindungstür zwischen dem Nepflügel und dem Hotelgebäude zugemauert. Die Hinterbliebenen hatten von jetzt ab durch den Hof zu gehen und durften nicht mehr die Badestube benutzen. Man wußte sich vor diesem ..Auswurf zu schützen.

Auf dem Hinterhof des Hotel Lux" gab es verschiedene Werk­stätten, u. a. auch eine Tischlerei, die Möbel für das Kominterngebäude und das Gemeinschaftshaus herstellte, denn es war damals in Sowjet­ruẞland ein schwieriges Problem, irgendwelche Möbel zu kaufen.

Wir blickten durch unser Zimmerfenster gerade auf den Eingang der Tischlerei, und da konnten wir fast jeden Tag den Führer der deutschen Kommunistischen Partei, Wilhelm Pieck , sehen, wie er in die Tischlerei ging, um sich die Holzarten für seine neuen Möbel auszusuchen und ge­nau zu kontrollieren, ob auch alles nach Wunsch angefertigt würde. Während die NKWD jede Nacht unter den Kominternmitgliedern wütete, während man im faschistischen Deutschland die revolutionären Arbeiter verfolgte, einkerkerte und hinrichtete, hatte Wilhelm Pieck ,, Möbelsorgen".

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Als ich im Dezember 1937 wieder einmal an den Schalter der Lubjanka kam, um 25 Rubel einzuzahlen, schallte mir ein scharfes ,, jewo njeto!" entgegen( Er ist nicht da!). Bestürzt lief ich von einem Gefängnis zum anderen, von Butirki nach Lefortowo, von Sokolniki wieder zurück in die Lubjanka. Nirgends war er. Da gab es noch eine Einrichtung in Moskau , die sogenannten Sekretariate der verschiedenen Staatsanwaltschaften. Dort konnte man angeblich eine Mitteilung über den Verlauf der Untersuchung oder das Urteil, das gegen ein Familien­mitglied gefällt wurde, bekommen. Jede Instanz hatte ihre eigene Aus­kunftsstelle. Mir sagte man, zu welcher Instanz ich auch kam: ,, Die Sache Ihres Mannes ist nicht bei uns!" Mit Zagen ging ich eines Tages zur Auskunftsstelle des Obersten Kriegsgerichtes. Da saßen nicht mehr als

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