romane!" Dann blätterte er ein wenig in den Bänden herum, sah die vielen Kopierstiftnotizen des Besitzers, nickte verständnisvoll und sagte: ,, Natürlich kaufen wir alles." Und er machte einen ungewöhnlich hohen Preis. Als ich in den nächsten Tagen wieder in den Keller stieg, mit einer neuen Ladung Bücher, und darunter auch zwei Kriminalromanen, war der sympathische Verkäufer nicht mehr da. Ich erzählte dieses Erlebnis meinem Freund H. J. ,, Weißt du, wer das war? Béla Illes. Den hatten sie strafweise in den Bücherladen gesteckt. Vor ein paar Tagen ist er verhaftet worden."
Béla Illes , ein ungarischer Schriftsteller, hatte einige Monate, bevor ich ihm da im Bücherkeller begegnete, ein neues Buch verfaßt, das den Bau der Moskauer Untergrundbahn verherrlichte. Der Held seines Romans war der politische Leiter des Baues. Illes' Buch war durch die Zensur gegangen, bereits gedruckt und stand kurz vor der Veröffentlichung, da beging der politische Leiter des Baues, ein Russe, Selbstmord. Béla Illes' Buch wurde eingestampft und er mit einer Parteistrafe bedacht und von seiner Arbeit entfernt. Er ging nach Hause, setzte sich in die Badewanne, öffnete sich die Pulsadern und drehte den Gashahn auf. Aber sein Selbstmordversuch wurde vereitelt, man brachte ihn ins Leben zurück. Als Strafarbeit mußte er dann Verkäufer werden.
*
Der frühe russische Winter hatte schon begonnen, als der Hotelkommandant Gurewitsch sich meiner erinnerte und mich aus dem Nepflügel warf. Er wies mir zusammen mit Charlotte Scheckenreuther, der Frau des bekannten deutschen Kommunisten Hugo Eberlein , einen Raum über einer ehemaligen Werkstatt an. Die Fenster schlossen nicht, der Herd war zerfallen und vor uns ein russischer Winter. Im Nepflügel hatte es wenigstens noch Zentralheizung gegeben, aber jetzt hieß es mit unseren paar Rubeln auch noch Holz besorgen. Das Geld wurde immer knapper, deshalb schlossen wir uns zu einer Kochgemeinschaft zusammen. Werner, der siebzehnjährige Sohn Hugo Eberleins, Julius Gebhard, dessen Frau verhaftet worden war, Charlotte Scheckenreuther und ich. Der einzige Verdiener von uns vieren war Werner Eberlein . Er hatte nach der Verhaftung seines Vaters die Karl- Liebknecht- Schule verlassen müssen, war jetzt Transportarbeiter und verdiente im Monat zwischen 100 und 110 Rubel. Dieses Geld genügte, um ihn mit Not und Mühe zu ernähren. Damals kostete im Staatsladen ein Kilo Rindfleisch zwischen neun und zehn Rubel, das Kilo Schweinefleisch auf dem Freien Markt aber siebzehn Rubel, ein Kilo Butter zwischen sechzehn und zweiundzwanzig Rubel, das billigste Brot pro Kilo neunzig Kopeken. An den Kauf von Schuhen oder Kleidern konnte ein Arbeiter mit 110 Rubel Verdienst im Monat überhaupt nicht denken. Ich erinnere mich noch,
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