wird? Vielleicht haben sie ihn schon geholt? Ihn werden sie auf keinen Fall vergessen.

K. F. arbeitete bis Ende 1936 in der Komintern . Bei einer der üblichen Parteiversammlungen zur Zeit der ,, Tschistka"( Parteireinigung) richtete eine Hamburger Kommunistin an ihn die Frage: ,, Warum sieht man dich so häufig im, Lux' in das Zimmer 175 gehen?" K. F. ant­wortete vor der ganzen Versammlung: ,, Heinz Neumann ist mein Freund, und ich pflege ihn täglich zu besuchen." Das genügte. Kurz darauf warf man ihn aus der Arbeit, dann aus dem Zimmer, und jetzt erwartete er das Ende.

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Diesmal war er noch gekommen! Er stand wartend unweit des Park­eingangs. Wir begrüßten uns, als sei unser Wiedersehen ein Wunder. ,, Ich habe Heinz gefunden! Er ist in der Lubjanka! Und konnte ihm 50 Rubel einzahlen!", Weißt du schon von den Verhaftungen der letzten Tage?" ,, Jetzt ist die Rote Armee dran. Tuchatschewski , Jakir, Blücher, Gamarnik , die gesamte Garnitur der alten Offiziere aus der Zeit der Revolution und des Bürgerkrieges. Ob er denen auch einen öffentlichen Prozeß machen wird? Wie ist es nur denkbar, daß bei den Prozessen keiner aus der Rolle fällt, keiner in den Saal hineinschreit: das ist ja alles Fälschung! Diese Protokolle sind erlogen vom ersten bis zum letzten Wort!" Es wurde dunkel, man schloß den Park. Wir liefen durch die Straßen., Gibt es denn keine Möglichkeit zu entfliehen? Müssen wir uns abschlachten lassen wie Kaninchen? Wie konnten wir nur durch Jahre alles das kritiklos hinnehmen? Was von Moskau kam wurde verherrlicht, alle Zweifel wurden unterdrückt, denn wir wollten eben glauben. Jetzt müssen wir für unsere kritiklose Gläubigkeit be­zahlen."

Das war unsere letzte Begegnung. Bei der nächsten Verabredung wartete ich zwei Stunden vergeblich. K. F. wurde auf dem Wege zum Bahnhof verhaftet. Er wollte in die Krim fahren und über das Schwarze Meer entfliehen.

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Ausländer in Rußland , wenn es sich um politische Emigranten oder Mitarbeiter der Komintern handelte, erhielten als Dokument einen ,, Vid na shitjelstwo"( Aufenthaltserlaubnis), den eigenen nationalen Paẞ, soweit man überhaupt noch einen besaß, hatte man meist nicht in Händen. Mein deutscher Paß war von der Komintern zurückbehalten worden. Kurze Zeit nach der Verhaftung meines Mannes war mein ,, Vid na shitjeltstwo" abgelaufen und hätte durch die Komintern verlängert werden müssen. Ich wandte mich telefonisch an die entsprechende Ab­teilung der Komintern und erhielt die Auskunft, daß ich von jetzt ab bei der Meldestelle für Ausländer und Visenausgabe zuständig sei und nichts mehr mit der Komintern zu tun habe. Von der Verlagsgenossen­

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