wachung hatte sich eingeschaltet. ,, Gar nichts, nein, es geht mir gut." ,, Kannst du morgen ins Café, Sport kommen?" ,, Ja."

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Aber was wird geschehen, wenn man mich beobachtet? Nein, ich kann es nicht verantworten! Und doch ging ich. Der Wunsch, einen Menschen zu sehen, in der Not einen Freund zu wissen und über seine Qualen sprechen zu dürfen, trieb mich zu dieser Begegnung.

2. ALS ,, HINTERBLIEBENE" EINES VERHAFTETEN

,, VOLKSFEINDES"

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Heinz Neumann und ich hatten in den zwei Jahren unseres Moskauer Aufenthaltes, da wir als politisch unzuverlässig" galten, nur noch sehr wenige Menschen, die zu uns hielten, deren Freundschaft stärker war als die Angst, durch die Beziehung zu uns ebenfalls in Acht und Bann getan zu werden. Diese wenigen Freunde haben auch nach der Verhaftung meines Mannes treu zu mir gestanden.

Wir trafen uns heimlich, irgendwo an der Peripherie der Stadt, von einer Verabredung zur andern zitternd, ob wir uns je wiedersehen würden. Und alle hat das Schicksal ereilt, alle unsere Freunde wurden vor mir verhaftet. Ich mußte die Schrecken des Zurückbleibens wieder und immer wieder erleben, bis endlich nach einem Jahr die Reihe auch an mich kam.

Einige Tage, nachdem die NKWD Heinz weggeführt hatte, teilte mir der Kommandant des Lux" meine Umquartierung in den sogenannten Nepflügel mit. Das war ein altes Häuschen, das im Hinterhof des Hotels stand und in dem nun die Familien der Verhafteten untergebracht wurden. Ich zog in ein Zimmer zusammen mit Michailina, der 60jährigen Schwester von Gorski, einem polnischen Mitarbeiter der Komintern , der vor kurzem verhaftet worden war. Gorski hatte fast ein Jahrzehnt im polnischen Zuchthaus zugebracht. Seine Schwester Michailina weilte erst kurze Zeit in Moskau . Sie war aus Warschau gekommen, um den Bruder nach der langen Gefängniszeit zu besuchen. Michailina hatte sich nie mit Politik beschäftigt, sie war ihr Leben lang eine sorgende Hausfrau ge­wesen. ,, Und hier in Moskau verhaften sie meinen Bruder? In der Sowjetunion , dem Lande seiner Sehnsucht?" Sie zerbrach sich den Kopf, was er wohl verbrochen haben könnte, er, der den größten Teil seines bewußten Lebens für die Sache des Kommunismus im Zuchthaus gesessen hatte. Michailina erzählte mir, daß sie sich kurz nach der Verhaftung des Bruders an die Komintern gewandt habe mit der Bitte, ihr ein Ausreise­visum zu geben, damit sie heimfahren könne. ,, Nicht einmal angehört haben sie mich. Einfach den Hörer abgehängt. Und dann kam der Gurewitsch und hat gesagt, ich müsse sofort mein Zimmer räumen. In dieses finstere Loch haben sie mich gesteckt. Ist es nicht um den Ver­stand zu verlieren!"

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