wurde, daß sie diesen Boden aus Raumnot und weil sie ihn für Proben benötige, nicht einmal für diese geringe Zeit entbehren könne. Diese Gründe sind nun nicht stichhaltig. Wenn man ein Wochenprogramm der Freizeitgestaltung, insbesondere die Fülle seichter Unterhaltung und fla­cher Vorträge überblickt, die da geboten wird, dann darf man den Schluß ziehen, daß sechs Stunden wöchentlich keine Rolle spielen können, wenn man nur will. Überdies haben wir festgestellt, daß der besagte Raum für viele Wochenstunden keineswegs für Proben, sondern privatem Gesangsunterricht eingeräumt wurde. Dieser Umstand nötigt uns zu folgenden Feststellungen:

1. Die Juden haben in Mittel- und Westeuropa eine Minderheit von 1-2% dargestellt, die seinerzeit eine vollkommene Kulturauto­nomie besaßen und mit Recht Toleranz begehrten und er­hielten.

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2. Nach einer Mitteilung des Herrn Rabb. Schoen befinden sich unter etwa 40 000 Ghettoinsassen etwa 34 000, also 85% Glaubensjuden. Nach dem Religionsschlüssel kann man daher mit 9% Christen und 6% Konfessionslosen rechnen.

3. Es ist selbstverständlich, daß den schwer arbeitenden Ghettoinsassen Gelegenheit geboten werden muß, sich nach der Tagesmühe bei leichter Kunst und populären Vorträgen zu entspannen. Während aber jenen Glaubensjuden, die nach schwererer Kost verlangen, eine Fülle von hochwertigen jüdischen Kulturvorträgen geboten wird, wird der christlichen Minderheit die Abhaltung kultureigener reli­giöser Vorträge nahezu unmöglich gemacht.

Daher beantragen wir ein letztes Mal, uns

entweder den Bodenraum Badhausgasse 7 für eine entsprechende Wochenstundenzahl einzuräumen,

oder

einen entsprechenden Bodenabteil, d. i. den Boden D m in Hauptstraße 1 oder einen gleichwertigen Raum zu­zuweisen.

Wir geben zu bedenken, was das Weltgericht der Geschichte einmal über die Anklage befinden würde, daß eine soziale Gemeinschaft, die als Minderheit Kulturautonomie begehrt und gefunden hat, als Mehrheit eine solche nicht einräumen will.

Dr. Ge.

Dr. Go.

Aber auch innerhalb der Gemeinde hat es nicht ganz an Schwierig­keiten und Spannungen gefehlt.

Im Laufe des Sommers 1943 kam mit einem Berliner Transport der Rechtsanwalt Dr. Hamburger an. Er hatte seit 1933 im Glauben einen immer stärkeren Halt gefunden und sich der Bekenntniskirche ange­schlossen. Er war als Notgeistlicher ordiniert und kam nach Theresien­stadt in der Zuversicht, dort eine Gemeinde gründen und in ihr als Geistlicher wirken und vor allem predigen zu können.

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