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Zu seiner Überraschung fand er eine bereits ausgebaute Gemeinde vor, und er sah ein, daß er- bei der ganzen Sachlage nicht an die Stelle des bisherigen Leiters treten könne, es sei denn, daß er von der Gemeinde an seiner Statt gewählt würde.

Diesem Gedanken trat er, als aussichtslos, gar nicht näher, aber er äußerte den entschiedenen Wunsch, auch zu predigen.

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Da er ordiniert war, lag an sich auch kein Hindernis dafür vor, aber Bedenken sachlicher Art waren auch nicht von der Hand zu weisen: Die Predigt verfolgte worüber weiter unten noch gesprochen werden wird eine bestimmte Linie, die sich allmählich aus den Erfahrungen er­geben hatte und, soweit zu erkennen war, erfüllte sie damit das, was erforderlich erschien, um der Gemeinde einen gewissen Halt gegen das äußere Leiden zu geben. Dr. Hamburger fehlte darüber noch jede Er­fahrung und bei häufigen, freundschaftlichen Gesprächen stellte sich heraus, daß er auf dogmatische Punkte, in einem gewissen missionarischen Eifer, solches Gewicht legte, daß man damit rechnen mußte, daß Glau­bensdifferenzen in der so verschieden zusammengesetzten Gemeinde sich auswirkten.

Das mußte auf Grund der ganzen Umstände tunlichst vermieden werden, wenn anders die Kraft der Verkündigung des reinen Wortes Gottes für die gesamte Gemeinde nicht beeinträchtigt werden sollte. Dazu kam leider, daß Dr. Hamburger nicht das Glück hatte, daß ihm die Herzen sich zuwandten. Auch dem wurde oft Ausdruck gegeben.

Nun aber griff ein mit Dr. Hamburger von Berlin gekommener Herr ein und nahm gewissermaßen seine Partei und vertrat mit Nachdruck die Auffassung, es müßten auch andere predigen, es müsse eine Ab­wechslung geboten werden, wie man ja auch in Berlin zu verschiedenen Predigern von allen Richtungen habe gehen können. Dieser Auffassung gab er auch an einem Gemeindeabend überraschend Ausdruck. Damit war die Gefahr gegeben, daß eine Spaltung der Gemeinde eintrete und daß sie in Brüdergemeinden und Sekten zerfiele, womit die mühsam erworbene Stellung gegenüber der Verwaltung untergraben wäre.

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Daraufhin wurde die Sachlage zum Gegenstande der Besprechung auf einer auf den 11. Oktober 1943 zusammengerufenen Sitzung der Helfer gemacht. Alle Teilnehmer dieser Sitzung bis auf Dr. Stargardt und den Verfasser sind in Transport gekommen und vermutlich in Ausch­ witz ermordet worden, außer Fräulein Frankau, der gütigen, unermüd­lichen Fürsorgerin, die jäh an einer Gehirnhautentzündung aus dem Leben geschieden ist.

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Dr. Stargardt verfaßte das nachfolgende Protokoll, das die Sachlage klar zusammenfaẞt:

Protokoll vom 5. Oktober 1943.

An der heutigen, im Zimmer des Dr. Stargardt, Seestraße 26, statt­gehabten Besprechung von Vertretern der Evangelischen Gemeinde in Theresienstadt nahmen teil:

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