dig, und zwar vor allem deswegen, weil auch bestehende Mischehen nicht mehr vor der Evakuierung schützten.
Die Schätzungen über den Anteil der Christen an der Theresienstädter Bevölkerung schwankten; die Verwaltung schätzte ihn, bei mündlichen Verhandlungen, auch in der letzten Zeit auf nicht mehr als fünf bis sechs vom Hundert.
Wahrscheinlich war es jedoch statistisch festgestellt; jedenfalls waren die Grundlagen für solche Statistik vorhanden. Es war aber— trotz oft geäußertem Wunsche und anscheinendem Entgegenkommen— nicht möglich, eine solche zu erhalten, vielleicht weil man befürchtete, es würden dann„Minderheitsansprüche“ mit größerer Stoßkraft erhoben.
Wie schon erwähnt, war diese Gemeinde nur„geduldet“— es bestand daher auch keine Möglichkeit, ihr eine Rechtsform zu geben, sie als „Verein“ oder gar als öffentliche Körperschaft zur Anerkennung zu bringen. Es wurde auch keine Satzung eingeführt, überhaupt der‘Ver- such unterlassen, diese rein tatsächliche Gegebenheit des Zusammen- schlusses mit doch nur leeren Rechtsformen zu umkleiden; es erschien richtiger, alles dem persönlichen Einfluß und der Autorität der Leitung zu überlassen und so von vornherein innere Differenzen und Spannun- gen möglichst zu vermeiden.
Zu überlegen war jedoch, wie unter diesen Umständen kirchenrecht- lich die Stellung des Leiters sich darstellte, ob und wie weit ihm das Recht zu kirchlichen Funktionen zustehe.
Nach evangelischem Kirchenrecht steht das, bei Vorhandensein eines Kirchenregiments oder einer Kirchenordung, nur einem ordinierten und von der Kirchenleitung ernannten oder von der Gemeinde gewählten Geistlichen zu. Ein Kirchenregiment bestand in Theresienstadt nicht; es war staats- und kirchenrechtlich eine im Protektorat gelegene Enklave, die in ihrer rein tatsächlich zugestandenen Selbstverwaltung nur unter der Aufsicht und Leitung der SS. stand. Das„Kirchen- regiment“ der Tschechoslowakei , geschweige denn das des Reiches hatte dort nichts zu suchen, wie denn auch das— katholische— Kirchen- gebäude geschlossen war und Angehörige des Klerus, weder persönlich noch schriftlich, in Theresienstadt Zugang hatten.
Auch ein ordinierter Geistlicher war, wenigstens bis zum Spätsommer 1943, nicht vorhanden. Es kam daher Artikel 67 der Schmalkaldischen Artikel zum Zuge.„Denn wo die Kirche ist, da ist immer der Befehl, das Evangelium zu predigen. Darum müssen die Kirchen Gewalt haben, daß sie Kirchendiener selbst berufen, wählen und ordinieren... Wo aber die wahre Kirche ist, da muß sie auch das Recht haben, ihre Diener zu wählen und zu ordinieren. Wie denn in der Not auch ein schlichter Laie einen anderen absolvieren und sein Pfarrer werden kann.“
Hier nun war die Entwicklung die gewesen, daß die Gläubigen aus kleinstem Kreise heraus in immer zunehmendem Maße sich um eine Person geschart, sich ihr als ihrem geistlichen Leiter angeschlossen hatten. Die Gemeinde war um einen Prediger gewachsen. Für eine Wahl bestand
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