So war es ein Leben ohne Sinn, es sei denn, daß man wußte: ,, Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende"( Mtth. 28, 20).

II. DER AUFBAU DER GEMEINDE

A) innerhalb der Evangelischen

Ich war bis 1933 Oberlandesgerichtsrat in Hamburg , daneben immer Maler, seit 1933 nur noch Maler. Am kirchlichen Leben hatte ich mich nie tätig beteiligt. Ich galt als Jude im Sinne der Nürnberger Gesetze , da die Großeltern Juden gewesen waren. Im Juni 1942 starb meine Frau und am 20. Juli 1942 wurde ich nach Theresienstadt ,, evakuiert". Ich ging dorthin, wie unter dem Auftrag, dort Gottes Wort verkün­den zu sollen.

Daher verschaffte ich mir zu dem Zweck durch befreundete Pastoren liturgisches Material. Es wurde mir in Theresienstadt mit meinem ge­samten Gepäck von der SS. weggenommen; ich behielt eine kleine Tasche, in der sich Reiseproviant, ein Paar Strümpfe und das Evange­lium befanden.

Nach einigen furchtbaren Wochen in der Kaserne kam ich, mit einigen Hamburger Herren, auf den Dachboden einer Kaserne. Dort versam­melte ich, am ersten Sonntage, einige Bekannte von mir; wir lasen einen Text des Evangeliums und ein geistliches Lied. Das sprach sich rasch herum, und von Sonntag zu Sonntag wuchs die kleine Gemeinde.

Wir saßen in dem halbdunklen, nur durch die Dachluken erhellten großen Raum auf den Tragbalken. Die Andacht nahm bald festere For­men an; man begann mit einem Lied; dann las Dr. Münzer, Professor der alten Geschichte aus Münster , der leider schon im Herbste gestorben ist, mit tiefer, klangvoller Stimme den Text; ich knüpfte einige Worte an, und wir schlossen mit Gebet und Lied. Binnen kurzem reichte der Raum nicht mehr aus, und wir hielten die Andacht in einem Schuppen auf dem Hofe, inmitten von Schreinerwerkzeug. Auch dieser Raum war viel zu eng, und für kurze Zeit fand sich ein leerstehender Laden, der indessen bald mit neuen Ankömmlingen belegt wurde.

Es galt nun, für die Dauer einen ausreichenden Raum für den Gottes­dienst zu erlangen.

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Was tun? Alle unsere Zusammenkünfte waren eigentlich verboten, denn mehr als zwanzig Menschen durften ohne Genehmigung der SS. nicht zusammenkommen. Es gab, bei der Einstellung der Partei, keine Kultusgemeinschaften und keine Seelsorger als solche. Die Rabbiner wurden irgendwie in der Verwaltung untergebracht. Der Gottesdienst der Juden war nur geduldet. Daß die Bildung einer christlichen Gemeinde in einer reinen Judenstadt von der Verwaltung nicht gern gesehen würde, war anzunehmen.

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