Boden liegen, oft ohne jede oder mit ganz ungenügender Heizungsmög­lichkeit. In den Häusern war es nicht besser. Es gab weder Raum noch Gelegenheit zum Sitzen, außer primitiven, mühsam beschafften Hockern; Raum für Tische war eine Seltenheit. Ausreichende Waschgelegenheiten und Waschgeschirre fehlten viele Insassen mußten ihre Eßnäpfe zum Waschen benutzen. Dazu herrschte ein unbeschreiblicher, trotz aller Mühe nie zu beseitigender Schmutz, und man litt unter unvorstellbaren Men­gen von Ungeziefer, besonders Wanzen und Flöhen, so daß viele im Sommer ihre Bettsäcke ins Freie, in die Höfe trugen. Wenigstens die Läuseplage konnte durch planmäßiges und energisches Vorgehen im wesentlichen behoben werden.

Über dieses materielle Elend hinaus wirkte die seelische Qual. Man war von der übrigen Welt völlig abgeschlossen; aus ihr drangen nur Gerüchte herein. Nur alle zwei bis drei Monate durfte man eine Karte mit fünfundzwanzig Worten, mit streng zensiertem Inhalt, hinaussen­den; fast ebenso spärlich war die Nachricht von den Lieben draußen, die außerdem immer um Monate verzögert ankam. So lebte man wie auf einer weltentlegenen Insel.

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Dieses abgetrennte Leben war dazu voll steter Sorge um eben dieses Leben: Man sah ein gewaltsames Ende voraus, wußte aber nicht, wie und wann es eintreten würde. Würde der Krieg gewonnen? Würde man dann durch SS. - Fliegerbomben vernichtet oder mit Maschinengewehren zusammengeschossen? Vielleicht auf dem eine Zeitlang eingezäunt ge­wesenen Marktplatz oder in jenem Talkessel, in dem einmal einem regnerischen Novembertag die Bevölkerung zur Abzählung von früh morgens bis spät abends wie eine Viehherde zusammengetrieben war und wo man die Maschinengewehre schon aufgepflanzt gewähnt hatte! Und wurde der Krieg verloren, war dann nicht erst recht das Schicksal das gleiche es sei denn, daß die Feinde noch rechtzeitig als Befreier kämen; die Feinde, die mit Tücherwinken aus den Höfen be­grüßt wurden, wenn die Angriffsstaffeln die Stadt, die sich von ihnen geschont wußte, überflogen?

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Aber nicht nur ein solches Ende drohte; auch ein früheres Todesge­schick klopfte Tag für Tag an das Tor: Abtransport"! Alle acht bis zwölf Wochen, mitunter öfter, wurden ein-, zwei-, fünftausend Men­schen zum Transport bestimmt; niemand wußte, wen und wann es ihn traf. Wohin die Transporte gingen, erfuhr man nicht.- Hoffnungen auf erträgliches Arbeitslager mischten sich mit der Furcht vor Polen und Birkenfeld, worunter sich der Name Auschwitz verbarg. Man nahm Abschied auf Nimmerwiedersehen. Nur spärliche Gerüchte von den neu Verbannten, zuweilen angeblich eine beruhigende Postkarte, drangen nach Theresienstadt. Erst nach der Befreiung erfuhr man, daß die vielen Tausende wohl meistenteils in Auschwitz vernichtet waren, auch daẞ das gleiche Schicksal dem kleinen in Theresienstadt gebliebenen Reste zugedacht war, dessen Vergasung in der kleinen Festung" für den 15. Mai 1945 vorbereitet war.

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