sonders hatte man es auf Rauchwaren abgesehen. Zigarren und Zigaretten wurden in großen Mengen im Lager verteilt oder verhandelt. Man„organi- sierte‘‘ eben alles, was nicht niet- und nagelfest war. Dann wurde nach einigen Tagen ein Verbot erlassen. Den Häftlingen aber wurde bedeutet, daß alles unter sie verteilt werden würde. Sie hätten einen Anspruch auf Ersatz all dessen, was ihneg verloren gegangen wäre. In Wirklichkeit wollte man die Leute nur beruhigen. Verteilt wurde später nichts.:
Das Leben auf den einzelnen Wohnblocks war unerträglich, weil zu viele Menschen auf engem Raum eingepfercht waren. Es war deshalb das Bestreben des Internationalen Häftlings-Komitees, die leerstehenden SS-Baracken außer- halb des Lagers zu belegen. Zuerst war es notwendig, für die vielen Kranken zu sorgen. Es wurde deshalb von den Amerikanern sofort ein großes Lazarett eingerichtet, dem später ein Lazarett des Roten Kreuzes angegliedert wurde. Täglich fuhren die Krankenwagen an unserem Revier vor und holten Kranke ab. Zuerst wurden die Tb-Kranken abtransportiert, dann kamen die Phleg- monefälle. Ein amerikanischer Arzt suchte stets selbst die einzelnen Fälle heraus. Später wurden die einzelnen Nationen voneinander getrennt draußen in großen SS-Baracken untergebracht. Nur die Polen und Russen blieben im Lager. Den Polen übergab man die Leitung des Lagers, besonders die Küche und Kleiderkammer. i
Bei der Übernahme des Lagers durch die Amerikaner waren von 30 000 Häftlingen nur noch 1173 Deutsche. Davon waren sieben deutsche Frauen. Wir Deutschen hatten einen sehr schweren Stand, denn die anderen Nationen ließen uns fühlen, daß wir Deutsche waren. Es gab Chauvinisten genug, die sagten:„Alle Deutschen sind schlecht.‘“ Im amerikanischen Lazarett lag auf meiner Stube ein junger Jude. Er war Ungar, ein frecher, vorlauter Bursche, der eines Tages laut in die Stube rief:„Alle Deutschen sind schlecht, ich: würde sie alle erschießen.“ Wir haben ihm natürlich die notwendige Antwort gegeben, so daß er von da ab sehr still war. In unserer Lagerzeitung mußte eigens ein Artikel zu diesem Thema erscheinen. Er war besonders für die Ausländer bestimmt.
Am 7. Mai kam ein amerikanischer Reporter und bat mich, ihm über die Ereignisse im Lager Mitteilung zu machen. Es interessierte ihn besonders festzustellen, ob Berichte stimmten, die er von anderen Seiten erhalten hatte. Ich konnte ihm eine objektive Kenntnis der Dinge vermitteln und manches richtigstellen, was ihm entstellt erzählt worden war. Dann aber fragte er: ‚Können Sie mir Tatsachen sagen, mit denen ich die öffentliche Meinung in England und Amerika , wonach alle Deutschen dem Hitlersystem zugestimmt haben und deshalb schlecht seien, widerlegen kann?“ Ich wies darauf hin, daß Millionen deutscher Männer und Frauen in Zuchthäusern, Gefängnissen und Konzentrationslägern gewesen seien, weil sie Gegner des Systems waren und dieses offen bekannt hatten, daß eine große Zahl von Beamten und Arbeitern aus ihren Stellungen entlassen worden seien, weil sie gegen den National- sozialismus gewesen wären, daß ferner viele Väter ihre Kinder nicht in die HJ. und den BDM. gehen ließen und gemaßregelt wurden, daß viele deutsche Eltern dagegen protestiert hätten, daß man zehnjährige Kinder gezwungen
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