VORWORT

Dieses Buch ist unter außerordentlichen Schwierigkeiten geschrieben wor­den. Es war nämlich im Lager Dachau streng verboten, Notizen zu machen oder gar irgend etwas über das Lager und seine Insassen zu schreiben. Jeder, der entlassen wurde, mußte eine eidesstattliche Erklärung abgeben, daß er nie über das sprechen würde, was er im Lager gesehen und erlebt hatte.

Ich habe dreimal alles, was ich notiert hatte, vernichten müssen, weil man des öfteren plötzliche Nachforschungen nach solchen Aufzeichnungen machte. Wir Geistlichen, überhaupt die ,, Intellektuellen", wurden in der politischen Abteilung besonders scharf überwacht. Trotzdem ist es mir gelungen, alle Notizen wiederzubekommen und zu vervollständigen.

Manches, was ich berichten werde, ist so unvorstellbar für den, der es nicht miterlebt hat, daß der Leser leicht geneigt sein wird, die Berichte für Übertreibungen zu halten oder gar als Greuelmärchen anzusehen. Dem aber ist nicht so. Ich berichte nur wirkliche Geschehnisse und will die reine Wahr­heit sagen. Deshalb erbat ich von den Kameraden, die mir aus ihrem Leben Tatsachenberichte gaben, die Erlaubnis, ihre Namen zu veröffentlichen. Ich habe selbst ihre Berichte öfter nachgeprüft und eine Übereinstimmung mit dem Erleben anderer, noch heute lebender Mithäftlinge festgestellt. Vieles ist nicht berichtet worden, weil es mir selbst unwahrscheinlich vorkam.

Der Sinn und Zweck dieses Buches aber ist nicht, Haß und Rachegefühl zu erwecken. Nein, es geht mir um unsere Jugend, die so verwirrt und fassungs­los vor dem Trümmerhaufen unserer Zeit steht und sich anklammern möchte an das, woran sie doch oft wirklich geglaubt hatte.

Die Mehrheit der deutschen Jugend hat den Nationalsozialismus nur von der glänzenden äußeren Fassade her gesehen. Sie ist in zwölfjähriger ,, Erzie­hung" in eine Ideologie hineingeführt worden, die sie die völlige Hohlheit des ganzèn Systems nicht ahnen ließ. Man kann heute der Partei in ihren Maßnahmen Lüge und Betrug nachweisen. Aber geradezu teuflisch kluge Orga­nisationsmethoden schlugen die meisten jungen Menschen in den Bann. Kri­tisches Denken war verboten. Ein blinder Kadavergehorsam wurde verlangt. Wer dagegen aufbegehrte, wurde aus der Volksgemeinschaft" ausgestoßen. Der Jugend gab man Freiheiten, und doch war sie gefesselt. Schöne Uniformen, große Aufmärsche und herrliche Versprechungen hatten die Jugendlichen blind und taub gemacht gegen alle vernünftigen Überlegungen. Die riesenhaften Schäden und geistigen Verheerùngen sahen sie nicht. Das deutsche Volk ging, trotz großer Prachtbauten und Schaustellungen, Jahr um Jahr, Schritt um Schritt seinem Untergang entgegen.

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Dieser Jugend, soweit sie heute noch im Bann des Irrwahns steht, den Nationalsozialismus ohne Maske zu zeigen und die Aufrechten zu fragen: ., Wollt ihr nicht lieber zurückkehren zu einer gesitteten Lebensordnung, zur

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