55-Mann und hielt sein Gesicht so lange in den Schnee, bis seine Nase er- froren war, daran litt er noch 1945 bei seiner Entlassung aus dem Lager. Man mußte wirklich gesunde Nerven und eine robuste Natur haben, wollte man alle Schikanen ohne persönlichen Schaden überstehen. Donnerstag und Freitag vor Pfingsten 1944 machte der Hauptscharführer Jung einen tollen Wirbel auf unserem Block, besonders mit Stube 3. Jung war ein kranker Mensch und deshalb nicht zur Truppe eingezogen worden. Charakterlich aber war er ein gehässiger, gefühlloser, roher Patron, der nur auf Quälen ein- gestellt war. Irgend etwas hatte ihn gereizt. So kam er zu uns und warf _ mit einem SS-Kommando alles aus unserem Schlaf- und Wohnzimmer auf die Blockstraße. Die Strohsäcke, die Decken wurden genau untersucht, die Spinde eilig entleert und alles beschlagnahmt, was ihm gut dünkte. Auch Zigarren und Zigaretten verschwanden, eigene Wäsche und noch mehr. Erst am Abend konnten wir alles wieder einräumen. Auf Pfingstsonntag mußten wir alle auf dem Appellplatz antreten. Hier verteilte Jung die Zigarren und Zigaretten an Häftlinge, die von dem Blockältesten der anderen Blocks benannt worden waren. Jung machte dazu seine verletzenden und bösartigen Bemerkungen über unsPfaffen.

Es gab jedesmal eine große Aufregung auf dem ganzen Block, wenn der OberscharführerBach, der Gerichtsoffizier, auf dem Block erschien, ein hinter- hältiger, bösartiger Mensch, der seine ganze Arbeit nur auf seine Beförderung einstellte. Er hat manches Leben auf seinem Gewissen. Plötzlich stand er da, und schon hatte er jemanden erwischt. So stand eines Tages unser Kame- rad Johann Schmidt im Vorraum und rauchte. Bach kam, sah ihn und machte sofort eine Strafmeldung. Schmidt erhielt 48 Stunden Stehbunker. Derartiger kleiner Erlebnisse könnte ich noch viele erwähnen, es genügt aber, um dar- zutun, wie gequält das Leben im Lager war.

Die Caritas im Lager

Es war etwas Eigenartiges um die Caritas im Lager. In der Hungerzeit, wo jeder von uns kaum etwas zu essen hatte, wo Hunderte starben am Hunger und seinen Folgeerscheinungen, gab es viele, die in brüderlicher Liebe für ihre Kameraden sorgten und das Wenige mit ihnen teilten, die mehr Hunger hatten. Es gab Häftlinge, die nicht religiös waren, die nicht an einen Herrgott glaubten und doch ihren Kameraden halfen, wo immer sie konnten. Wie freute man sich, wenn jemand kam und ein kleines Stück Brot schenkte. Leute, die Geld auf ihrem Kantinenkonto hatten, halfen anderen, die nichts hatten, und denen von Hause kein Geld gesandt werden konnte. Hier zeigte sich echte Kameradschaft, die keine Grenzen des ehe-

maligen Standes oder der Parteizugehörigkeit kannte. Ich habe liebe kom- h mir geholfen und selbstlos für mich

Dankbarkeit, meines lieben Willi

munistische Kameraden gehabt, die auc gesorgt haben. Ich gedenke ihrer stets in Bader, Lyder, Winters, Adolf Meislinger und Mazenauer. Als dann 1943

die Lebensmittelpakete kamen, konnte in großzügiger Art geholfen werden.

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