Gleisseite gelangte, Noch im Zuge dieser Bewegung warf ich mich auf den Rücken und sah dabei bereits das nächste Rad riesenhaft groß auf mich zurollen, wobei mich der flüchtige Gedankenfetzen berührte, daß es mir eigentlich besser über den Bauch mit garantiert tödlichem Ausgang gehen als mir die Beine. abfahren sollte. Es gelang mir, mich so, wie ich auf dem Rücken lag, noch etwa einen halben Meter zurückzuwerfen und zu- gleich die Knie soweit anzuziehen, daß das Rad unmittelbar an meinen Schuhsohlen, diese fast berührend, vorüberrollte, Als ihm das hintere Rad desselben Wagens folgte, stand ich bereits wieder aufrecht. Es dauerte aber noch eine ganze Weile, bis der Zug, der recht lang war, vorüber war und meinem Kameraden Lüders die Sicht auf mich freigab. Lüders stand kreidebleich an unserem Sägebock. Es hatte ihm gänzlich die Sprache verschlagen, und er sagte mir, als er wieder zu Worte kam, er habe die Augenblicke, in denen der Zug zwischen uns anfuhr, sich immer wieder gefragt, ob er mich überfahren und gänzlich zerquetscht oder aber ohne Beine wieder zu Gesicht bekommen werde. Der Vor- fall hatte sich innerhalb weniger Sekunden abgespielt. Ich berichte ihn nur deswegen, weil ich nach diesem Ereignis der festen Überzeugung ge- wesen bin, daß ich unser Abenteuer wohlbehalten überstehen werde, ein Glaube, der mir, wie ich meine, auch sehr dazu geholfen hat, die schwere Krankheit, die ich bereits in mir trug, und die unmittelbar darauf mit aller Gewalt ausbrach, zu bewältigen.
Ich hatte mich schon den ganzen Morgen fiebrig gefühlt und sägte nun mit Lüders zusammen zunächst in dem Gedanken weiter, daß es eine recht dumme Sache sei, jetzt auch noch krank zu werden, zumal mindestens Lüders meinen mußte, es handle sich um einen durch das gerade vor- gefallene Ereignis hervorgerufenen Nervenkollaps. Ich ging daher nach dem Mittagessen mit Lüders nochmals zu unserem derzeitigen Arbeits- platz zurück, spürte aber einen Kälteschauer nach dem anderen, den ich zunächst noch darauf schob, daß es an dem Tage sehr kalt war und ein schneidender Wind herrschte, Schließlich schien es mir aber doch hohes Fieber zu sein. Da Waclaff gerade bei unserer Sägerei anlangte und wir die Zwei-Mann-Säge zu dreien ohnehin nicht handhaben konnten, ent- schloß ich mich, auf Zureden meiner beiden Kameraden ins Lager zurück- zugehen.
Dort wurde ich zwar nicht bewußtlos wie Mager, aber ich hatte immer- hin 40,6 Grad Fiebertemperatur im Arm, einen Rekord, den ich im ganzen Leben bisher nicht erreicht hatte. Vielleicht wäre es das Beste gewesen, nichts anderes zu tun, als ein paar Tage möglichst ruhig und ohne Nahrungsaufnahme zu liegen. Ich aber wollte den Teufel mit Beelze- bub austreiben und unternahm mit Hilfe von Aspirintabletten und heißem Lindenblütentee eine Schwitzkur, die das Fieber für den nächsten Tag auf 38 Grad herabdrückte, aber nicht verhinderte, daß die Temperatur am übernächsten Tage wieder auf die ursprüngliche Höhe von über 40 Grad hinaufschnellte, Ich habe zunächst vier Tage in diesem unver- ändert hoch bleibenden Fieber gelegen. Es war dies in der„Etagenwoh- nung“, die ich innehatte, mit großen Unzuträglichkeiten verknüpft. Wenn
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