Zu dem Betriebsappell war die ganze Belegschaft der Bahn aufgefor­dert, zu erscheinen, soweit sie im Bahnhof oder in der Nähe des Bahn­hofs arbeitete. Wir hatten an sich natürlich nicht die geringste Meinung, der betreffenden Feierlichkeit beizuwohnen und sagten unserem Rotten­führer, wenn wir nun auch in der Nähe des Bahnhofs arbeiteten, seien wir doch wohl im Sinne der betreffenden Aufforderung nicht als Beleg­schaft der Bahn anzusehen. Unser Rottenführer Gross erwiderte darauf, selbstverständlich seien wir Belegschaft der Bahn, und der Bahnmeister könne es recht übel vermerken, wenn wir entgegen der ausdrücklichen Aufforderung dem Appell fernblieben. Dies könne sogar im Hinblick auf den Zweck des Appells als eine Gehässigkeit angesehen werden, was uns sehr schaden könne. Dies war allerdings für uns nicht ausschlag­gebend, sondern wir entschlossen uns deshalb, unserem Rottenführer, der bereits sichtbar in dem Gedanken bebte, er könne ,, von oben" für ein ,, renitentes" Verhalten ,, seiner Leute" verantwortlich gemacht wer­den, den Gefallen zu tun, weil wir damit an dem betreffenden Tage immerhin ein bis zwei öde Arbeitsstunden loswerden konnten. Wir gingen also in die Werkstatt, wo wir mit unseren dort beschäftigten Schicksalsgenossen zusammentrafen. Außer uns waren nur noch die beiden Beamten, die für Verdienste, von denen sie selbst wohl nichts wußten, dekoriert werden sollten, und außerdem noch drei bis vier weitere Be­amte zur Stelle. Der Zug mit den ,, hohen Herren", nämlich dem Bahn­meister und den beiden Berliner Würdenträgern lief ein. Vor den beiden anderen Größen her erschien der Bahngewaltige Schwerteisen, auf einen dicken Knotenstock gestützt, in dem schmierigen und rußigen Raum, der aus dem feierlichen Anlaß kein bißchen festlicher aussah als sonst. Als Schwerteisen, den Hut auf dem Kopfe, uns sah, färbte sich sein gewalt­tätiges Gesicht dunkelrot. Er nahm unseren Rottenführer recht unsanft am Rockknopf, riß ihn in eine Ecke und herrschte ihn, indem er mit seinem dicken Knüppel auf unsere Schar deutete, mit halblauter Stimme an: Wer sind die!?" Nachdem Gross ihm in devoter Haltung, halb stot­ternd, halb flüsternd, kurz berichtet hatte, reckte sich der Bahnmeister mit finsteren Augen auf und rief mit dröhnender Stimme: ,, Die fremden Leute aus dem Barackenlager gehören nicht hierher!" Mit einer ebenso abrupten wie brutalen Bewegung hob er abermals seinen Stock und wies mit ihm zur Tür, indem er uns anschrie: ,, Verschwinden!" Da wir keines­wegs den Wunsch hatten, mit diesem liebenswürdigen Herrn weiter die­selbe Luft zu atmen, gingen wir alsbald achselzuckend und die Köpfe so hoch, wie wir nur eben konnten, hinaus, wobei unser Kamerad Lüders es sich nicht versagen konnte, dem Bahnherrscher im Vorbeigehen eine umfangreiche Ladung seines Pfeifenrauches ins Gesicht zu blasen.

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Es war dies der einzige Betriebsappell, den ich seit dem Jahre 1933 mitgemacht habe. Denn in Bremen hatte ich mich von solchen Veranstal­tungen stets grundsätzlich ferngehalten. Unser Rottenführer Gross, der nach der Verleihung der beiden Kreuze, die vor der übriggebliebenen ,, Belegschaft" von einem halben Dutzend Mann erfolgt war, zu uns zurück­kam, war sehr gedrückt. Seine Miẞstimmung rührte aber nicht etwa daher,

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