lies„der alte
vorgezogen, n Auffassung,
rauen wieder-
getan hatte, war hiergegen nicht das geringste zu erinnern, zumal es aus- schließlich seine eigene Sache war. Probleme mußten aus dieser Er- scheinung allgemeiner Menschlichkeit erst entstehen, als, wie von vorn- herein vorausgesehen werden mußte, auch unserem rauhen Männerlager in Duingen die Liebesgöttin nicht fern blieb.
Wir hatten nicht zuletzt deswegen unsere jungen Schicksalsgenossen von Anfang an mit einer gewissen Sorge betrachtet. Sie waren alle mehr oder weniger der berechtigten Auffassung, daß sie nur einmal jung seien und sich das Recht ihrer Jugend, soweit es irgend in ihrer Macht lag, durch die nationalsozialistische„Weltanschauung nicht verkümmern lassen wollten. Auf unserer Stube hatten wir außer dem 16jährigen Knaben Bernhard Silbermann, der uns noch viele Kümmernisse, wenn auch nicht auf dem hier in Frage stehenden Gebiet, bereiten sollte, nur einen Jüngling, den anfangs der zwanziger Jahre befindlichen Chauffeur Welicki, Dieser war ein ausgesprochen guter und sympathischer Junge. Er hatte nur zwei Schwächen: Den Tabak und die Frauen. Er war ein so leidenschaftlicher Raucher, daß er die monatliche Zigarettenzuteilung von 60 Stück, die man uns auch in Duingen nicht versagte, weil sie auch die Russen und alle anderen Ausländer erhielten, meist an einem einzigen Tage konsumierte, worauf er wieder„rauchlos” dasaß und, wenn auch ohne irgend etwas zu sagen, sehnsüchtige Blicke auf die Kameraden richtete, die hier nicht so verschwenderisch waren wie er, Ich habe ihn stark im Verdacht gehabt, daß er, bevor er mit uns auf die Reise ging, mit Liebesabenteuern ebensowenig sparsam wie mit seinem Tabak ge- wesen war, Auch in Duingen , dem durch den Krieg sehr männerarm ge- wordenen Städtchen flogen ihm alle Frauen- und Mädchenherzen zu, wo er sich nur zeigte, Er war ein ausgesprochen„schöner Jüngling“ und von dem Typ, den die Amerikaner„Kiss me and the world is mine” nennen. Wo er ging und stand pflegte er Schlager wie:„Ich möchte Dir so gerne rote Rosen schenken...“ vor sich hinzuträllern oder zu pfeifen. Er brauchte nur einmal verbotenerweise im Duinger Kino gewesen zu sein, um angefüllt mit noch verboteneren Mären über alle möglichen lockenden Angebote, die ihm die offenbar keineswegs„rassestolzen“ Duingerinnen im verdunkelten Zuschauerraum, auf der Treppe oder so- gar auf seinem Heimweg gemacht hatten, zu uns zurückzukehren,
Eine andere„weltmännische” Erscheinung unter den Jungen unserer Schar war der 21jährige Ronoff aus der Nachbarbaracke, der seinen auf unserer Reise so standhaft ertragenen Halsabszess nach kurzem Kran- kenlager glücklich überstand, Radiomechaniker seines Zeichens machte er zunächst den Eindruck eines absoluten Großstadtjünglings, härtete sich aber nach kurzer Zeit auf der Strecke zu einem Mann, der mit den Fäusten zuzupacken wußte. Er machte sich in Duingen durch die Reparatur zahlreicher Rundfunkapparate, die er nach Feierabend be- sorgte, allgemein beliebt und versäumte fast keinen Tag, bei seinen Wiederinstandsetzungsarbeiten auch den Empfang von fremdländischen Sendern zu„prüfen“, so daß er regelmäßig spät abends mit den neuesten
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