von unseren Schicksalsgenossen mehr war, Wie ich es vorausgesehen hatte, begann der Kommandant, als er von dem Sachverhalt Kenntnis erhielt, zu toben und raste, Strafarbeiten verteilend, durch unsere Baracke. Ich hatte unglücklicherweise meine Gummistiefel an, ein Ausrüstungs- stück, das im Lager sehr selten war, ja fast einzig dastand. Als der Kom- mandant mich erblickte, schnob er sofort los,„der Mann da hat die richtigen Stiefel, der kann mal den Hauptkanal in Ordnung bringen und das soll er heute und wenn er hundertmal Jurist, Doktor und wer weiß sonst noch was ist”, C,, der neben mich getreten war, meldete dem- gegenüber ganz ruhig:„Er ist auf Kammer kommandiert, Kommandant!” Der Wütende stand einen Augenblick verdutzt, blickte noch einmal mich und meine Gummistiefel durchbohrend an, wiederholte gedehnt:„So, auf Kammer!”, drehte uns den Rücken und verschwand,
Die Kammer des Lagers war von einem politischen Häftling, Fürst mit Namen, der im Zivilberuf Buchhalter war, aufs beste und an sich für die ganzen Verhältnisse schon viel zu gut in Ordnung gebracht worden. Fürst hatte Listen und Bücher angelegt, die jedem kaufmännischen Be- trieb Ehre gemacht hätten und in dem Wust, der das Bekleidungs- magazin des Lagers früher gewesen war, erst einmal eine mustergültige Ordnung geschaffen. Die„Durchorganisation” der Kammer, zu der C. Toms und mich berufen hatte, bestand im wesentlichen zunächst nur darin, daß die beiden Grundlisten über die von den Häftlingen abge- gebene Zivilkleidung und über die an sie dafür ausgefolgte Sträflings- kleidung„paginiert” und in einigen weiteren Kleinigkeiten etwas über- sichtlicher gestaltet werden sollten, Es war dies eine Arbeit, die ein Sextaner ohne Schwierigkeiten in zwei Stunden hätte leisten können, während Toms und ich den Rest unseres Farger Aufenthaltes, also etwa 1% Wochen, hierfür„eingesetzt blieben.
C, hatte allerdings bei dieser Einrichtung einen Nebengedanken ge- habt. Der Kammerverwalter Fürst war infolge der Zustände, die er zu meistern hatte, nur noch ein Nervenbündel, und C, wollte ihn dadurch entlasten, daß er ihm in mir einen hilfsbereiten Vertreter zur Seite stellte, Damit hatte er allerdings zunächst seine Rechnung ohne Fürst gemacht, Der war am Ende seiner seelischen Kraft und zunächst nicht einmal imstande, sich von einem anderen helfen zu lassen, Wie es bei vielen Häftlingen der Fall war, zehrte die Unsicherheit seines Schicksals an ihm, Er hatte gegenüber einigen Leuten, die ihn angezeigt hatten, die unvorsichtige Äußerung getan,„mit dem Bombenterror ginge es so doch nicht weiter und das Volk müsse sich dagegen erheben, daß der Krieg noch weiter fortgesetzt werde, da dies unter den gegebenen Umständen pur die völlige Zerstörung Deutschlands bedeuten könne”. Er war von der Gestapo für das Verbrechen dieser Äußerung zunächst nach Farge gebracht worden und er schwankte nun dauernd zwischen der Hoffnung, die Sache werde als nicht so schwerwiegend angesehen und er bald wieder entlassen werden und der Befürchtung, daß ihm eine unabsehbare Konzentrationslagerhaft oder gar der Volksgerichtshof und der Strang blühen könne, hin und her, Zu dieser persönlichen Belastung kam, daß
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