janze
sich auch in dem übrigen Essen der Woche nicht finden ließ, Die„Pell- kartoffeln” waren, so wie sie aus der Erde kamen, völlig ungewaschen in den Kochkessel geworfen worden und wurden so in die Eßnäpfe, in die zunächst das„Gulasch“ geschöpft wurde, hineingefüllt. Da wir von Hause zwar allerhand Eßvorräte, aber natürlich keine Kartoffeln mitgenommen hatten, legten wir auf dieses„Sonntagessen” Wert, zumal in der an- dauernden Kohlrabisuppe der Woche niemals auch nur die kleinste Kar- toffel war. Um nun das Sonntagessen genießen zu können, nahm jeder von uns einen besonderen Napf, oder wenn er einen solchen nicht hatte, seinen Hut oder seine Mütze zur Essenausgabe mit, um die schmutzigen Pellkartoffeln gesondert zu empfangen und dann erst abzuschälen, bevor sie in die„Gulasch”-Schüssel kamen. Die Essenausgabe hatte sich uns gegenüber auf dieses besondere Verfahren auch zunächst eingelassen. Als der Kommandant das aber bemerkte, war die Hölle los. Er raste in die Ausgabe-Bude, warf das aus Häftlingen bestehende Personal beiseite, brüllte, die Ausgabe ginge viel zu langsam, warf dem nächsten von uns, der gerade dran war, die dreckigen Kartoffeln in die Essenschüssel, daß das„Gulasch“ hoch aufspritzte, und wachte mit Argusaugen darüber, daß das Küchenpersonal von da ab die ungeschälten und ungewaschenen Kartoffeln auch uns wieder zusammen mit dem„Gulasch” ausgab,„da es hier keine Extrawürste gäbe“. i
Es bedarf keiner Erwähnung, daß besonders diese Verpflegung— täg- lich 200—300 g Brot, 15 g Margarine und eine mehr oder weniger un- genießbare dünne Gemüsesuppe ohne Fleisch und werktags ohne Kar- toffeln— der hauptsächlichste Faktor für die Funktion von Farge als „Männervertilgungslager” war. Denn wer ohne eigene Lebensmittel von diesem Essen leben mußte, war spätestens nach 3—4 Wochen zum Skelett abgemagert und unter Umständen schon schwerkrank und nach 8 Wochen so entkräftet, daß ein Wiederaufkommen mehr als zweifelhaft war und in den meisten Fällen ernsteste Lebensgefahr bestand. Viele 20—25jährige Gefangene sahen am ganzen Körper und besonders im Ge- sicht verrunzelt wie 60jährige aus. Die arbeitsscheuen Elemente kamen, je nach der Schwere ihrer Verfehlungen, für 2, 3, 4, 6 oder 8 Wochen nach Farge, und es war für diejenigen, die eine längere Strafzeit zu ab- solvieren hatten, eine Frage der leiblichen Ausstattung, ob sie die Haft- zeit überstehen konnten, Diese Frage war meist um so kritischer, als infolge der Kriegsernährung die körperlichen Reserven bei den meisten Häftlingen nicht groß waren,
Der allgemeine Hunger im Lager führte zu eigenartigen Zuständen. Da meine Schicksalsgenossen und ich einigermaßen mit von Hause mitge- brachten Vorräten versorgt waren, so aßen viele von uns, die noch zu große„Leckermäuler” waren, den Kohlrabi überhaupt nicht, während die anderen höchstens den flüssigen Teil der„Suppe” und die seltenen einigermaßen weichgekochten Kohlrabistücke aßen, Im übrigen wurde das Essen an Lagerinsassen, die keine eigenen Lebensmittel hatten, ins- besondere an Ausländer, weggegeben, und auf die für uns und oft auch für die sonstigen Ausländer ungenießbaren Reste stürzten sich die
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