6 zu hinter mir liegenden Bürgerlichkeit bei geschäftlichen Verhandlungen

ende mit seiner Firma kennengelernt hatte, Ich streckte ihm die Hand hin und den» sagte ihm guten Abend, Er nahm meine Hand, sah mich einen Augen- Be blick erstaunt an, erkannte mich und sagte:Auf Sie habe ich schon

gewartet, Sie kommen natürlich zu mir auf die Elitekammer.' Ich bat ihn, noch möglichst viele meiner Schicksalsgenossen mitzunehmen, Er sagte dies zu und hat dann außer mir noch 5 meiner Kameraden auf seine Kammer mitgenommen, Es handelte sich hierbei um eine Stube, um welche die Farger Wachleute und sogar oft der Kommandant einen Bogen machten und deren Türe auch jetzt bei der nächtlichen Lager- umwälzung von niemand geöffnet worden war. Diese Vorzüge genoß die Stube in erster Linie dank der besonderen Qualitäten Cs, Von den etwas neiderfüllten Bewohnern der anderen Stuben wurde sie späterdie Plutokratenstube genannt, > C, war politischer Häftling. Er war von einer ihm bekannten Dame wegen irgendwelcher staatsfeindlichen Äußerungen, die er getan haben sollte, denunziert worden und befand sich, trotzdem sein eines Bein infolge eines Betriebsunfalles vorläufig steif war, schon wochenlang in Farge , wo er gewissermaßen die Egeria des Lagers geworden war, Jeder ge Häftling, der irgendwelche Sorgen hatte, kam zu ihm, und die Wach- leute verkehrten mit ihm respektvoll wie mit einem Vorgesetzten. Die Mitbewohner der Kammer, in der er seine Farger Tage verbrachte, waren sehr stark gesiebt. Wir trafen dort fast nur politische Häftlinge, die mit drei Ausnahmen keine Nummer trugen und denen mit einer Ausnahme auch das Haupthaar nicht abrasiert war, wie es sonst allen Farger Häft- lingen geschah und außerdem zwei Belgier, die selbst nicht wußten, warum sie in Farge waren und es auch nicht wissen konnten, da sie, wie sich später herausstellte, ohne jeden persönlichen Grund festge- nommen worden waren, Bei denhoch-politischen Häftlingen, die sich auf der Stube befanden, handelte es sich um zweimarxistische Funk- tionäre, einenbewußten Christen, einen ehemaligen SA.-Brigade - führer, der eine besondere Geschichte hatte, drei Meckerer und einen Querulanten, Die beidenmarxistischen Funktionäre, die aus Anlaß derAktion des 20, Juli, also bei Gelegenheit und infolge des Führer- attentats mit Tausenden von anderen ehemaligen Angehörigen der Links- parteien festgesetzt worden waren, setzten sich aus einem fast 60 Jahre alten ehemaligen sozialdemokratischen Provinziallandtagsabgeordneten v, B., der jetzt Steuerbeamter und in Farge Stubenältester derElite- kammer war und aus einem ehemaligen sozialistischen Bürgerschafts- , mi mitglied, einem Dreher von der Aktiengesellschaft Weser, zusammen, weite Der aufrechte Christ war ein Bauer aus der Umgegend Bremens , und der ehemalige SA,-Brigadeführer war insofern mit uns etwas schicksalsver- wandt, als bei ihm ein jüdischer Großvater entdeckt worden war. Von den drei Meckerern hatten zwei irgendwelche höchst harmlose Äuße- rungen gemacht, die ihnen die Gestapo trotzdem so übelgenommen hatte, daß sie schon monatelang in Farge saßen, während der dritte, ein dicker Schneider aus dem Oldenburgischen, als Defaitist angezeigt war und

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