FARGE

1. Invasion im Arbeitserziehungslager.

Unser Erscheinen am Lagertor rief dort eine uns zunächst unerklär- liche Aufregung hervor, Der schwer bewaffnete Posten hatte dem Wach- habenden gemeldet und es erhob sich alsbald ein wütendes Gebrüll, aus dem schließlich die öfter wiederholten Worte:Wieder 32 Mann auf einmal und nicht angemeldet eine verfluchte Schweinereil' zu ver- stehen waren, i

Wir waren aus den Erzählungen, die über das Schicksal des ersten Schubs im Umlauf waren, auf einiges vorbereitet. Die etwa 200 Mann dieser ersten Serie waren ebenfalls nach Farge gekommen, ohne daß die Bremer Behörde eine Anmeldung für nötig gehalten hätte, und die auf nichts Derartiges Gefaßten waren durch das Lager kurzerhand in der

. Weisegeschluckt worden, daß sie in das Waschhaus und in den Ent-

lausungsraum eingesperrt worden waren, wo sie ohne Bettstellen und ohne Strohsäcke auf dem nackten Fußboden schlafen mußten, über den sie höchstens ihre eigenen Decken breiten konnten, soweit sie solche mitgebracht hatten; dieses summarische Verfahren war übrigens auch in hygienischer Beziehung recht problematisch gewesen, weil viele unter den ausländischen Gefangenen, die sich am Tage in dem Waschhaus zu reinigen hatten, stark verlaust waren und durch die Filzläuse der Fleck- typhus, der noch kurze Zeit zuvor im Lager geherrscht hatte, mit Leichtigkeit übertragen werden konnte.

Es war augenscheinlich die Erinnerung an unseren ersten Schub und an die Unbequemlichkeiten, die nicht nur ihm, sondern auch dem Lager hier entstanden waren, die den Wachthabenden, einen dänischen SS.- Wachtmeister, der nicht nur mit starkem Auslandsakzent deutsch sprach, sondern auch, was er sagte, ständig mit dänischen Kraftausdrücken mischte, besonders aufregte, Er pflanzte sich mit zornsprühenden Augen vor uns auf und rief:Sind das Strafhäftlinge oder Mischlinge? Auf die Antwort des einen uns begleitenden SD.-Mannes, wir seienMisch- linge, schlug er die Hände über den Kopf zusammen und schrie:Gods- vermäd, auch das noch. Er stampfte mit dem Fuß auf und tobte:Wo- hin mit Ihnen?" Auf den Hinweis des Wachpostens, das Gegebene sei doch wieder das Waschhaus, erwiderte er leiser, aber doch so, daß ich es verstehen konnte;Bei Strafhäftlingen ginge das, bei denen da aber sollen wir das nicht mehr, Es war dies ebenso wie andereVergün- stigungen, die wir später vor den anderen Häftlingen hatten, die Wir- kung einer nach den Erlebnissen des ersten Schubs von Bremen an den

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