muß sich wahrscheinlich in einem Zugangsblock aufge­halten haben. Sein Vertrauen zur Solidarität und Kame­radschaft seiner Mitgefangenen war ungeheuer groß. Tagsüber hat er einen totliegenden Heizungskanal aus­findig gemacht. Der Eingang des Kanals ging von Keller­räumen des Kammergebäudes aus, der Ausgang war ver­mauert. Wenn nun nach Beendigung der Arbeit das Kam­mergebäude verschlossen wurde, konnten die Beauftragten das Lager noch soviel durchsuchen, hier würden sie ihn nicht vermuten. Wenn er gefunden werden würde, dann nur durch Verrat. Und daran glaubte er nicht. Sein ein­ziges Ziel war, Zeit zu gewinnen.

Nach reichlich 24 Stunden seiner Flucht stand er vor seinem Versteck. Erschöpft sank er auf einen Strohsack nieder.

,, Wie lange werde ich hier kampieren müssen, hoffent­lich geht alles gut. Nein, die Kameraden werden mich sicher nicht ausliefern." Stockfinster war es. Er konnte seine eigene Hand nicht vor den Augen sehen. Gespenster­haft rasen ihm die Ereignisse durch den Kopf. Hätte er nur einen Menschen, mit dem er sich aussprechen und beraten könnte. Nein, jetzt ist er ganz allein, ganz auf sich selbst angewiesen. Die Erkenntnis, daß er in höchster Not, ohne Freunde ist, kam ihm zum Bewußtsein.

Sein Vater, seine Mutter würden ihm bestimmt helfen. Aber sie waren ja so weit weg von ihm. Ob sie auch noch lebten? Eine ungeheure Sehnsucht trieb seine Gedanken nach den Eltern. Sie waren immer so gut zu ihm gewesen. Nun war er nach all den furchtbaren Dingen wieder ganz bei ihnen. Fühlte wie die Mutter mit den harten abge­arbeiteten Händen zärtlich über sein Haar strich. Ihre Liebe hatte ihn vollkommen eingehüllt, er fühlte sich wohlig und geborgen.

Plötzlich schrak er zurück. Augenblicklich sah er den Galgen, an dem einer seiner Kameraden hing, die mit Pistolen bewaffnete SS vor sich. Er wagte nicht, die Augen aufzumachen. Er wollte diese abscheulichen Bilder

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