Ihre zwei Hände waren immer da, wo die Kranken von Schmerzen gepeinigt nicht einschlafen konnten. Ihre feinen, aristokratischen Hände verrichteten die gröbste Arbeit. Sie besorgten die untergeordnetsten Dinge. Die Entwicklungsstufen von einer Hilfsschwester zur Schwe­ster und weiter hinauf zur Oberschwester setzten eine Unsumme von Kenntnissen und Aufopferungswillen vor­

aus.

Die Verantwortung für ihre Aufgaben war noch größer als die Fülle und Schwere des Dienstes. Aber Schwester Irina behauptete nicht nur ihren Platz, sie wurde auch zu Operationen hinzugezogen, und später unterstanden die Schwerkrankenstuben ihrer Oberaufsicht.

Segensreich und vielgestaltig wurde ihr Wirkungskreis. Aber das persönliche Leben hatte für Schwester Irina aufgehört.

DIE ENTSCHEIDUNG

Hinter den Mauern Theresienstadts lagen wieder viele reif zur Ernte für den Sensenmann. Zwar waren die ge­fährlichen Monate Mai und Juni vorüber. Die Warnungs­tafeln hingen noch überall an den Wänden der Block­häuser und der Kasernen. Aber das nützte nichts, da­rum hat sich der Tod nicht gekümmert. Die Typhusfälle waren zu ungeahnter Höhe emporgeschnellt. Der Hun­ger wütete eben unter der Bevölkerung.

Die Vorsichtsmaßnahmen, die darin bestanden, sich dauernd die Hände zu waschen vor dem Essen und sich vor enger Berührung mit den Typhuskranken zu schüt­zen, hatten trotzdem die Gefahr nicht aus dem Wege räumen können.

Die Sterblichkeit wuchs und wuchs.

Die Zeiten und Verhältnisse aber änderten sich nicht. Die Eingeschlossenen waren vergessen.

Das Ausland schwieg

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Lebte in ihrem erstorbenen Herzen noch ein Funke von Hoffnung?

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