Kitty hatte, von Hunger getrieben, alle Sachen ihres geringen Bestandes an Kleidung gegen Brot eingetauscht. Sie war zu schwach, sich gegen den Hunger zu wehren, und wachte in der Nacht immer wieder von den Magenkrämpfen auf.
Schließlich tat sie es den anderen Frauen gleich und schlich abends in der Dunkelheit zu den Abfallstellen der Diätküchen, wo die Reste von Gemüse und Kartoffelschalen lagen.
Es war verboten, nach 9 Uhr abends auf die Straße zu gehen, und wehe, wenn man dabei ertappt würde, man wurde kurzerhand erschossen.
Wenn man Glück hatte, traf man auch einen Wagen an, der mitunter frisches Gemüse und Obst ablud, dann kroch man unter den Wagen und wartete auf heruntergefallene Stücke.
So suchte man durch Extrarationen den gefährlichen Hunger zu stillen.
Immer gehetzt im Frohn der Arbeit, ohne Pause, fristeten die meisten ihr Leben.
Täglich hoffte man auf Anderung oder Erlösung von außen.
Nachts, wenn die Wanzen wie Völkerscharen zu wandern begannen und die Ratten spektakelten wie Einbrecher, wenn unterdrücktes Weinen der Heimwehkranken oder das Ächzen und Stöhnen der Herzleidenden die Stille unterbrachen, stiegen die fernen Bilder der Heimat auf und begannen den Raum zu füllen.
Der Gram über das verlorene Leben wurde dann so stark wie ein körperlicher Schmerz. Dann wäre die Erlösung, das Sterben, das beste.
Beschwerden in den Heimatskarten waren verboten, damit man nicht Hilfe fordern konnte.
So konnte nur Gott helfen.
Aber wir sollten umkommen. Alle Gefangenen wurden dauernd an ihrer Gesundheit geschädigt.
In den Straßen strömte, wie immer, das Leben von und zu der Arbeit.
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