schwach die Stimme war, doch mit dem feinen Klang einer Harfe.
,, Ja, Kind! Wünschest du etwas?"
,, Mutti, nimm mich in deine Arme."
Frau Lupiskaja schob den Arm unter die Kissen und Decken und hob die leichte Gestalt zu sich empor. Sofort schmiegte sich der Kopf an ihre Brust, aber unruhig wendete er sich von einer Seite zur andern.
Wieviel Augenblicke sind es, daß sie ihr krankes Kind auf dem Schoße hielt? Sind es Stunden?
Das Leben war auf dem Boden längst erwacht.
Die morgendlichen Arbeiten wurden wie immer verrichtet. Scheu streiften die Blicke der vorübereilenden Bodengenossinnen die einsam sitzende, tiefgebeugte Frau. Sie warfen sich bedeutsame Zeichen zu, aber ansprechen wollten sie sie doch nicht.
Als die Kranke ruhiger wurde, ließ Frau Lupiskaja vorsichtig den Körper zurück aufs Lager gleiten.
Schlaf, gesunden Schlaf, bis der Schweiß käme, das wäre die Rettung. Aber grimmige Not, Stirn und Wangen blieben gleichmäßig heiß und trocken. Fest hielt Sonja die Hand der Mutter in der ihren. Frau Lupiskaja durfte nicht wagen, sie zu lösen. Unablässig rollten Tränen an ihren Wangen herab. Sie wehrte nicht ihren Lauf. So saß sie und wartete.
Oh, Gott, laß mir mein Kind.
Vor ihrem geistigen Auge stieg Sonjas glänzende Laufbahn auf. Unermüdliche Ausdauer hatte das herrliche Talent des Kindes entwickelt und das Gebäude des Ruhmes aufgerichtet. Ein Stern war aufgegangen, der selbst den der Anna Pawlowa überstrahlen sollte. Sanken alle Träume dahin?--- Waren alle Zukunftspläne vernichtet?
,, Mutti?"
Frau Lupiskaja schreckte empor.
,, Mutti, ich habe noch keinen Kuß von dir bekommen!" ,, Tausend gebe ich dir, doch schlafe lieber, mein Kind." ,, So küsse mich erst!"
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