Voller böser Ahnungen öffnete sie das Papier und las: ,, Mutter ist soeben gestorben. Peter."
Um Kitty war einige Augenblicke völlige Nacht. Doch schnell erholte sie sich von ihrem Schrecken und eilte im Laufschritt nach der Seestraße. Vor der Eingangstür mußte sie noch einige Male krampfhaft schlucken, um die heraufsteigenden Tränen zu verbergen.
Als sie die Tür öffnete, sah sie, daß die Zimmerinsassen alle vollzählig auf ihren Betten sagen und neugierig zu Peter herüberstarrten, der im tiefen Schmerze am Bett der Verstorbenen stand. Tiefe Betroffenheit und wahre Ergriffenheit zeigte nur eine einzige Dame, die jetzt auf Kitty zutrat und ihr feilnahmsvoll die Hand reichte. Es war Frau Goldenberger, die sich seinerzeit bei der Ankunft der neuen Zimmergenossin so sehr gefreut hatte.
Als Kitty näher trat, berührte sie leicht Peters Arm. Er sah auf, schien sie aber gar nicht zu sehen. In seinem Blick lag tiefste Verzweiflung. Kitty schnürte es das Herz zusammen, daß sie ihm nicht helfen konnte.
Von dem Augenblick ihres Eintretens an herrschte tiefste Stille im Raum, es war, als wären es nur Figuren, die dort auf den Betten saßen. Kitty sah das himmlisch verklärte Antlitz der Toten, das zu lächeln schien, direkt vor sich.
Das schnelle Ende hatte auch sie wie ein Blitzstrahl getroffen. Sie trat noch näher zu Peter heran und nahm seine Hand.
,, Sei stark, Peter", sagte sie leise ,,, ertrage still den furchtbaren Schmerz. Denke, der hohe Schöpferwille hat es so gefügt. Schwer trifft dich der Schlag, aber die liebe Tote stand auch mir nahe, und die Hälfte deines Schmerzes gebührt mir. Verzage nicht, du wirst nicht kleinmütiger sein als die von uns geliebte Tote, die gern und ohne Murren gestorben ist."
Nach diesen Worten zog Peter Kitty näher zum Bett heran, und Hand in Hand schauten sie stumm auf die Verewigte.
240


