Der Lagerkommandant Heindl erschien wirklich an diesem Tage in der frühen Morgenstunde. Er war mit seinem Stabe von der Hinterfront aus durch die zusam­menhängenden Höfe der Blockhäuser geschritten und stand ganz plötzlich im Zimmer, inmitten der erschrok­kenen Frauen. Alle Bewohnerinnen mußten der Reihe nach einzeln in den Hof hinaustreten und dort warten, bis die Kontrolle vorüber war.

In einem Brillenfutteral wurden hundert Mark ver­steckt gefunden. Die Besitzerin, eine Frau Spiegel, wurde aufgerufen und sogleich abgeführt. Sie war 72 Jahre alt.

Sie kam auf die kleine Festung.

Als Kitty nach Dienstschluß nach Hause kam, blieb sie entsetzt auf der Schwelle des Zimmers stehen und schaute entgeistert auf ihr zerwühltes Lager. Mit ein paar Schritten war sie hinaufgeklettert und suchte fie­berhaft das Kopfkissen, worin sich ihre Papiere befan­den. Gott sei Dank, sie waren noch vorhanden. Diesmal war sie mit dem Schrecken davongekommen.

Noch immer bot Theresienstadt das gleiche hastende und drängende Bild.

Nur eine große Veränderung war vorgenommen wor­den.

Der Marktplatz, wo bislang der kriegswirtschaftliche Betrieb für die Flugzeugindustrie mit ihren Hallen, Schuppen und Nebenbauten für die Wehrmacht aufge­richtet war, wo Posten standen und Gehwege rings um den eingefriedeten großen Platz liefen und für das Publikum seit langer Zeit abgesperrt waren, wurde auf­gelöst und abgebaut; stattdessen breiteten sich nach ganz kurzer Zeit Rasenflächen mit Blumenbeeten und mit vielen Bänken vor den erstaunten Augen der Ge­fangenen aus. Auch ein Pavillon für eine Musikkapelle wurde dem Kaffeehaus gegenüber errichtet. Eine Ka­pelle spielte Vor- und Nachmittags Stücke berühmter Komponisten.

Das poesielose, schwermütige Leben Theresienstadts

15 Philipp, Die Todgeweihten

225