Raum verwandelte sich in ein halbwegs bewohnbares Zimmer und erhielt durch vieles Schuften und Arbeiten ein etwas menschenwürdigeres Aussehen.

Zwar das Ungeziefer blieb, das hielt sich am Tage versteckt und kam nur nachts zum Vorschein. Die Völ­kerscharen der Wanzen, Flöhe, Mäuse und Ratten. Ihre Vertilgung war bislang mißglückt. Sie vermehrten sich rasend schnell und waren nicht zu vertreiben. Ja, die eine Ratte fühlte sich sogar ganz als Haustier und kam jetzt schon dreist und unerschrocken am Tage aus ihrem Versteck hervor, sprang auf die Betten und machte sich an den Brotsäcken zu schaffen.

Die Alteingesessenen hatten solche Kontrolle häufig über sich ergehen lassen müssen, ohne daß sie je einen der SS - Leute zu Gesicht bekamen. Sie hatten ein dik­keres Fell und einen größeren Gleichmut als die ande­ren. Doch die Neuen waren in großer Aufregung und führten tausend Fragen zugleich.

Von allen Opfern, die der Krieg forderte, waren die vielen der Tausende von Menschen in Theresienstadt die mit am tiefsten Betroffenen. Das tatenlose Vergeu­den der Zeit mit Arbeiten, welche nie dem Lebensplan des einzelnen entsprachen, der Zerfall der Körper durch den Gram der Abgeschlossenheit in der Gefan­genschaft, die Martern der nächtlichen Unruhen und der Hunger schufen eine Not, die Gott erbarmen mußte.

Warum nahmen sich die anderen Völker nicht dieser hilflos Gemarterten an? Warum ließen sie diesen un­menschlichen Zustand bestehen? Durfte denn ein Macht­haber seine eigenen Volksgenossen einfach umbringen lassen, ohne daß deren schreckliche Not einen Wider­hall in der Welt fand?

Die Versündigung am eigenen Volkskörper wird sich schwer rächen. Tausendfach wird sie sich rächen, wenn einmal die Befreiungsstunde schlägt. Einige werden diese Zeit vielleicht erleben. Von den Opfern jedoch kann man nur die Erinnerung an ihre Leiden und ihr Sterben mit in die Heimat nehmen und für sie zeugen.

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