Riesenhaft reckte sich die Sehnsucht nach dem frühe­ren verlorenen Leben empor, worin seine Kräfte ver­wurzelt waren.

Nicht der Verlust der materiellen Güter, nicht das Auseinandergerissensein von der Familie und anderen lieben Menschen machten seinen Schmerz allein aus, sondern vor allem der verlorene Boden, in der seine Seele verankert war, gaben seinem Schmerz das un­erhörte Übermaß. Dieses Entwurzeltsein ließ den Men­schen verzweifeln.

Die große Klage des erwürgten Heimatgefühls er­füllte ganz Theresienstadt. Es führte kein Weg aus dem eingeschlossenen Grabe.

Nach jahrelangem Warten sah jeder die Hoffnung auf Befreiung wie ein schwaches lichtloses Pünktchen lang­sam entschwinden.

Der Regen strömte seit Tagen mit gleichmäßiger Be­harrlichkeit vom Himmel herab. Jetzt hatte sich auch noch der Sturm dazugesellt.

Heute morgen verhüllten dichte Nebel das Sudeten­gebirge.

Kitty hatte weder ganze Schuhe noch einen Schirm, um sich vor der Nässe zu schützen. Sie umwickelte ihre Füße mit alten Zeugfetzen, und über die Schulter legte sie einen auseinandergeschnittenen, leeren Strohsack. So eilte sie über die Straßen zu ihrer Arbeitsstätte.

Weder Wetterunbill noch sonstige Unbequemlichkei­ten oder Widerstände durften den Arbeitsgang unter­brechen.

Die Einsamkeit ihres Lebens war durch Peter Vagas plötzlich aufgehoben. Die Zeit, sonst unbeachtet und wie im Traum durchschritten, bekam Gewicht. Nach dem Wechsel, unfaßbar jäh, erwachte Kitty aus ihrem Traum­zustand. Jemand war da, der nach ihrem Leben fragte. Sie war plötzlich wieder ein Mensch geworden. Vorher war sie eine Maschine gewesen, die unausge­setzt in einem ungeheuren Gefüge von Zwangsanord­nungen mechanisch funktionierte.

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