Donnerstag, den 30. 5. 1943, 18.15 Uhr

Hauptstraße 2-241, 18.15 Uhr

Dr. Peter Vagas: Julius Cäsar

Eintritt zu allen Veranstaltungen und Vorträgen frei! Eintritt ins Kaffeehaus gegen Erlag von Thkr. 2,- im Vorraum

Alle Künstler und Künstlerinnen im Verband der Frei­zeitgestaltung hatten am Tage, wie alle anderen Men­schen in Theresienstadt, ihren Arbeitsdienst zu versehen und übten ihre künstlerische Tätigkeit nur nach Schluß ihres Dienstes, am Abend aus.

Wer kannte nicht Frau Tamara Weinstein, die grazi­öse, heitere, lebenslustige Vortragskünstlerin? Sie war der Typus einer gewandten Diseuse mit ihren selbst­verfaßten, die Stimmung fördernden Liedern. Immer errang sie sich durch diese den größten Beifall der zahlreich erschienenen Menge. Wahrlich dienten die einfachen, einer impulsiven Lebensfreude entsprunge­nen Liedchen zur Auffrischung und Ermunterung der niedergedrückten Lebensgeister der Gefangenen The­resienstadts, die durch die gebotene Kurzweil von ihren trüben Gedanken abgelenkt wurden.

Diese Vorträge fanden im Sommer in den Höfen hin­fer den Blockhäusern statt, oder in denen der großen Kasernen.

Sobald Tamara das Podium betrat, welches ein ge­schickter Hausältester durch Bretter und alte Zeugfet­zen künstlich errichtet hatte, schlug ihr Begeisterung und lebhafter Beifall von dem im Hofe versammelten Publikum entgegen.

Nach Schluß ihres Vortrages mußte sie sich immer wieder erneut verneigen. Das schwarze Wuschelhaar war mit roten Bändern geschmückt und flog in dichten Locken um ihren Kopf, und die schwarzen Augen unter der braunen Stirn glühten vor Freude über den Erfolg. Die weißen Zähne schimmerten wie Perlen zwischen den roten Lippen, wenn sie begann:

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