zu besuchen. Frau Schiller und eine Frau Helga Arn­stein, mit der Kitty kürzlich ein Freundschaftsverhält­nis geschlossen hatte, kamen jeden Tag.

Auf ihrem armseligen Lager lag Kitty und starrte mit matten Augen auf die Besucherinnen. Sie sprach kaum ein Wort. Schwach, hilflos, malte sich auf ihrem fahlen Gesicht nicht einmal ein Abglanz von Freude.

Erst als Helga niederkniete und die schwerkranke Freundin in ihre Arme nahm und aus tiefstem, weib­lichen Herzen weinte, lächelte Kitty ganz schwach.

Um ein Haar wäre sie gestorben. Mit schweren Lidern schlief sie tagsüber und sah und hörte nichts.

Nur langsam begann der Aufstieg. Das Leben um sie herum fing für sie wieder an zu pulsieren und sie in seinen Kreis zu ziehen.

Eisige Winde und Regenschauer wechselten mitein­ander ab. Als Kitty zum erstenmal aufstand und auf die Straße hinaussah, war noch dichter Nebel und alles ohne Sicht.

Aber langsam bereitete sich der Frühling vor, in das neue Jahr einzutreten.

Ganz plötzlich schlug das Wetter um. Im Februar wurde es auf einmal warm, und die Sonne trał wieder hervor.

Kitty hatte sich einen Platz am Fuße einer Bastei aus­gesucht, der ihr einen Überblick über die tieferliegenden Häuser und Straßen gab. Eine kleine Treppe führte dort die Anhöhe hinauf auf die Bastei . Es war ein idealer Platz, wie sonst keiner. Er lag ziemlich einsam. Sie konnte dort stundenlang sitzen und die ermatteten Glie­der ausruhen lassen. Vorläufig aber waren noch nicht die Tage dazu angetan, sie im Freien zu verbringen. Aber langsame Spaziergänge durfte sie schon unter­nehmen. So war sie auch in der Kinderküche gewesen und hatte sich Frau Heymann vorgestellt. Doch Frau Heymann hatte sie schleunigst wieder an die Luft ge­setzt und lachend gedroht, sie wolle sie noch lange nicht haben. Erst sollte sie einmal rote Backen bekommen.

8*

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