ihres Lenchens. Sie war schon in der Quarantäne ge­storben. Nicht das kleinste Andenken hatte Kitty von dem armen Lenchen, aber ihr Bild, wie sie am Anfang des Transportes in der herrlichsten Lebensfrische vor ihr stand, trug sie als ewiges Andenken von ihr im Herzen.

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- In den Tagen der Heimsuchung, die die Gefange­nen in Theresienstadt immer wieder überfielen, drängten sich auch bei den Nichtgläubigen religiöse Gedanken auf. Die tiefe Erkenntnis, daß all unser Leid zur Läufe­rung und geistigen Erneuerung unserer Seele führt, daß aus der Not des Leidens eine immer größere Freiheit des Denkens erwächst, empfand auch Kitty wieder neu bei diesem erschütternden Abschied, dem Tode ihrer Freundin. Ihre Arbeit im Jugendheim war unerschöpflich und ließ Gott sei Dank keine Zeit zum Grübeln frei. Sie wußte freilich nicht, wohin der Weg sie führte, ob ins Dunkel einer noch schwereren Zeit oder in das helle Licht baldiger Freiheit.

Keine Sicht vor Augen, nur die innere Weite des gläubigen Herzens, die die Klarheit des Denkens sicherte. Und die Pflicht, für das Wachsen und Gedeihen der ihr anvertrauten Kinder zu sorgen. Eine Aufgabe muß jeder haben, der ein wertvolles Glied der Menschheit sein will. Der Herbst war recht unfreundlich.

Die Aste und Zweige der Bäume wurden von dau­ernden Regenböen herniedergedrückt und trieften vor Nässe, als ob sie weinten.

Einige waren schon all ihrer Blätter entkleidet, die in dichter Schicht die Gehwege bedeckten und dort ver­mischt mit der Erde und den Wasserlachen eine glit­schige Masse bildeten.

Jeder Tag hatte ein anderes Gesicht. Obgleich der Alltag die gewohnten Dinge in gleichem Ablauf immer wiederholte, schoben sich doch kaum merklich neue Eindrücke dazwischen.

Durch die Pause der Nachtruhe wurde der Körper gestärkt und der Mut belebt, die Widerstände, woran

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