Kittys Dienst umfaßte die Krankenpflege von sechs Stuben. Es waren nur Knaben. Kittys anstrengender Tagesdienst beanspruchte ihre ganzen Kräfte. Die Kin­der wurden sehr sorgfältig jeden Morgen gewaschen und, wenn sie krank waren, bei Erkältungszuständen, mit Umschlägen behandelt.

Die Zuweisung der Mahlzeiten und die Spaziergänge mit den gesunden Kindern besorgte die sogenannte Führerin. Das Säubern der Räume geschah von Seiten einer Putzkolonne. Alle diese verschiedenen Arbeitsan­weisungen wurden automatisch durch das Arbeitsamt erledigt.

Die Not des eigenen Lebens, die Sorge um die vielen Kleinen lasteten schwer auf Kittys Schultern, manchmal wollte es sie schier erdrücken, aber sie wollte sich nicht unterkriegen lassen, dazu kam noch das innerliche Ent­setzen über Lenchen Böhme.

Was war aus ihr geworden? Sie war gar nicht wieder­zuerkennen. Wie nahm sie, die lustige, elegante, ver­wöhnte Frau das Lagerleben auf? Scheinbar hatte sie keine festen Grundsätze, die ihr einen inneren Halt gaben.

Außerlich jedenfalls bot sie jetzt einen wenig erfreu­lichen, ja Besorgnis erregenden Anblick. Sie lag, wenn sie keinen Dienst hatte, immer nur auf ihrem Lager, ohne sich irgendwie zu beschäftigen. Wenn Kitty morgens zum Dienst ging, schlief sie noch. In der kurzen Freistunde von halb eins bis halb zwei war sie durch das lange Anstehen in der Essenausgabe nie imstande, ihr Heim aufzusuchen oder sich irgendwie auszuruhen. Bei gutem Wetter war das natürlich sehr schön. Man konnte im Freien bleiben, aber sobald es regnete, mußte Kitty, so schnell sie nur konnte, ins Jugendheim zurück­eilen. Nur abends, wenn sie erschöpft vom Dienst nach Hause kam und froh war, sich endlich ein wenig Ruhe zu gönnen, dann war Lenchen munter und fidel und zu allen Scherzen aufgelegt, aber sie war nicht imstande,

96

96