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Ist die Logik des Satzes nicht einleuchtend, ist sie nicht unanfechtbar? Zweifellos, wenn es sich um»Begriffe« nur. handelt. Aber wenn es sich um einen Menschen handelt- dann ist die Sache doch ganz anders. Ja, man kann sagen: hier ist der Punkt, wo der Mensch, auch der Christ un- serer Zeit, sich von dem mittelalterlichen Men- schen und Christen faktisch unterscheidet. Nicht bloß der sich selber so undurchsichtige Hölderlin sah in sich zuweilen einen Zustand, den er also schilderte:»Wie so selig doch mitten im Leide mir ist«, nein, auch der sich selber sehr viel durch- sichtigere Kierkegaard verstand sich zu gewissen Zeiten»simul«, gleichzeitig, als den unglücklich- sten, elendesten und den seligsten der Menschen, in verschiedenen hierarchisch geordneten Schichten
“des menschlichen Seins freilich. Und das ist die
Erklärung, die über den Widerspruch mit Tho- mas’ Satz hinweghilft. Es gehört zu den schön- sten Arbeiten Schelers, daß er diese Schichtung der Seele weitgehend erkannt und dargelegt hat. Natürlich hat Thomas in dem Sinne, wie er es meint, recht. Aber die Menschen sind nicht mehr so»ganz« wie zu seiner Zeit, sie sind viel zerris- sener- eben durch den Mangel an Glauben, und sie sehen darum auch viel leichter die Zerrissen- heit, die es natürlich immer gab, denn es entsteht kein prinzipiell neuer Mensch. Sie ist ihnen ein Zeitproblem, ein schmerzliches und ebendeshalb auch ein erkenntnisreiches. Das Erstaunliche frei- lich ist, daß die Philosophie des Thomas gerade die einzige und beste ist, um zur Beherrschung des Problems die Prinzipien zu liefern, und es scheint fast, als ob die Schizophrenie eine all- gemeine Krankheit des modernen Menschen sei.
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