Vorwort

Auf die Frage, welches von den Büchern Haeckers, alles in allem genommen, das bedeutendste sei, würde ich ohne Umschweife antworten: es sind die Tag- und Nachtbücher. Sie sind künstlerisch > schwächer als die meisten seiner anderen Bücher; das liegt in der Natur des Tagebuchs, das weder als Ganzes konzipiert noch überhaupt in erster Linie» für andere« geschrieben ist. Trotzdem blei­ben die einzelnen Stücke, gerade in ihrer» Un­gefeiltheit«, Zeugnisse einer gewaltigen sprach­lichen und denkerischen Potenz, und zuweilen er­heben sie sich zu Höhen des Erkennens und Schauens, wie sie in keinem anderen Buche Haeckers erreicht sind.

Die Tag- und Nachtbücher sind, nachdem schon 1935 das absolute Redeverbot über ihn verhängt war und im Kriege nur noch die Übersetzung der Tagebücher Kierkegaards gedruckt werden durfte, während nach 1938- angeblich wegen Mangels an Papier - kein originäres Werk mehr erscheinen konnte, in unsagbarem Leiden unter der klar vorausgesehenen- um der Gerechten wil­len gefürchteten, um der Gerechtigkeit willen her­beigesehnten Katastrophe und in der bestän­digen Angst, den Häschern des Dritten Reiches mit diesen Blättern das eindeutige Beweismaterial für ein Todesurteil zu liefern, Nacht für Nacht geschrieben. Tagsüber lag das Manuskript in einer Mappe bereit, damit es, wenn nötig, jederzeit aus

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