Gehet in die Keller!

Es haben wohl zu allen ZeitenKellermenschen" unter uns ge- wohnt. Die Familien in den Stuben der Armut und des Lasters, die Siechen auf ihren Schmerzenslagern, die Verwahrlosten unter Kindern, Männern und Frauen, die Schuldigen und die Unschuldigen in den Gefängnissen. Nicht immer wohnten sie in Kellern und Löchern. Das Auge sah auch äußerliche Pracht und Ordnung, und dennoch waren esKellermenschen: hausend in der Zermürbung des Leides und der Armut, gebunden durch die Fesseln der Schuld. an den Geboten GOTTES und an der Liebe zum Nächsten, geächtet von der Mitwelt, eingeschlossen in das Dunkel eines zerfallenden Lebens und in die Undurchsichtigkeit des Todes. Aber es waren

. deren wenige unter vielen. Man konnte sie schonübersehen, wenn man es auch nicht durfte.

Das ist nun heute anders geworden. GOTT der HERR hat uns zu einem Volk vonKellermenschen gemacht. Und wer es nicht ist, der kann es um so besservon oben sehen: Wir sind ein. Volk, das im Keller wohnt. Millionen unserer Brüder und Schwestern, unserer Kleinen und Kleinsten hausen heute in Löchern, verfallenen Häusern, Bunkern und Baracken, dicht aneinander ge- drängt, wo der Wind pfeift, die Seuche schleicht und der Mensch verkommen muß; und wir haben keinen Anlaß zu sagen: geduldet euch, morgen wird es ganz anders sein!£

Wieder andere Millionen mögen äußerlich ein erträgliches Unter- kommen haben und dennoch! Auch sie wohnen in einemKeller, in Dunkel und Enge und Tiefe, wo das Leben und der Leib ver- kümmern; wo die Schönheit der Natur und des menschlichen Geistes nicht mehr hinreicht; wo alle ererbten und bisher geachteten Grundsätze der Ordnung, des Rechtes und der Sitte ins Wanken geraten, und man sich nur noch als einen Menschen verstehen kann, über den bereits das Todesurteil gesprochen ist; aber man weiß nicht, wann die Tür aufgeht und der Tod auf der Schwelle steht. Das sind die Millionen unserer Heimatlosen, Vertriebenen, Geflüchteten, Evakuierten,Abgeschnittenen, unsere Gefangenen in den Lagern, dazu das kommende Heer der Arbeitslosen, die Menge der Kriegerwaisen und Kriegerwitwen, der Bombengeschädigten und durch Unrecht und Frevel Vergewaltigten, die Millionen unserer als Krüppel und Lebensunfähige heimgekehrten Soldaten. Vergessen wir auch nicht die unzähligen Verführten und Verirrten vergangner Tage, die nun, von kleinen und größeren Thronen, büßen und in das Leere sehen! Und endlich wie es ein ernster Dichter unserer Tage in einem GedichtAm Abend zu beten aus- gesprochen hat:

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