Kein Mensch hat dieses Recht. Gott allein, der Schöpfer der Men­schen, könnte dieses Recht für sich beanspruchen. Aber gerade Gott hat für das Diesseits darauf verzichtet und hat den Menschen die Freiheit gelassen, auch auf die Gefahr hin, daß der Mensch die Frei­heit miẞbraucht. Gott will eben keine Puppen, die blindlings folgen, sondern freie Menschen, die bewußt ja sagen. Es liegt ein tiefer Sinn in dieser göttlichen Pädagogik.

Das Grundproblem jeder Sozialphilosophie lautet: Wer schafft an? Welches ist die Quelle der Autorität? Noch schwieriger aber ist die andere Frage, von der das gesunde Zusammenleben der Milliarden von Menschen nicht weniger abhängt: Wie können die verschiedenen und verschiedenartigen Glieder zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit gebracht werden? Oder, wie das Volk so gern sagt: Wie kann man die verschiedenen Köpfe unter einen Hut bringen?

Aus all dem, was wir über christliche Gesellschafts- Auffassung ge­hört haben, ergibt sich zunächst ein zweifaches: Untragbar ist es, ungesund und unvereinbar mit den ewigen Gesetzen der Natur, wenn jeder einzelne nur an sich denkt und keine Rücksicht nimmt auf die Gesamtheit. Das ist Atomismus, Auflösung jeglicher Ordnung, Anar­chismus, Separatismus, Partikularismus. Das gleiche gilt aber auch von dem anderen Extrem, wenn jedes Eigenleben und jede Eigenart erdrückt und erstickt wird, wenn alles nur als unterschiedslose Masse, als farbloser Brei genommen wird. Das ist Tyrannei, Diktatur, Uni­versalismus, Zentralismus. Wo finden wir die Brücke, die Synthese, die Klammer? Es gibt nur einen gesunden Ausgleich. Man läßt die beiden Pole ihr Eigenleben und verbindet sie in einer lebendigen Spannungseinheit.

Also: Einigkeit

nicht Einheit,

Verbindung nicht Trennung,

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Gleichberechtigte Bundesgenossen, mit einem Wort:

Föderalismus und das heißt Union.

Das ist die letzte und tiefste Konsequenz einer christlichen, einer organischen, einer naturgemäßen Gesellschaftsordnung.

Wenn wir nun versuchen, den Schlußstrich unter das Ganze zu machen, nachdem wir nunmehr auch die Stationen kennengelernt haben, die auf dem Weg in die Zukunft uns Richtung geben müssen, so drängt sich uns als Lehre und Mahnung von Gegenwart, Vergan­genheit und Zukunft ein Hauptgedanke auf, das ist der Gedanke

der Union, der Einigung.

Wir müssen den Mut haben, alte Gräben zu überspringen, alte Fronten einzureißen, und uns die Hände zu reichen, um gemeinsam den Weg

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