und ganzen glaube ich, daß auch diese Frage bejaht werden muß, trotz aller Fehler, die gemacht wurden. Wir müssen eben nur dafür sorgen, daß diese Fehler in der Zukunft vermieden werden. Das ge­schieht aber nicht dadurch, daß wir uns zurückhalten, sondern gerade die Besten und Fähigsten aus uns sollten ihre Kraft in den Dienst der Politik stellen.

Zwei Gedanken sind es, wenn ich recht sehe, die gegen diese Auf­fassung zu sprechen scheinen: Diejenigen, die heute so sehr geneigt sind, eine christliche Partei von der christlichen Perspektive aus ab­zulehnen, spüren etwas Richtiges, wenn sie darauf hinweisen, daß die Intention, in der das Zentrum gegründet wurde, nämlich die Ver­teidigung der damals schwer angegriffenen katholischen Religion, zeitbedingt war. Diese Aufgabe wurde damals vom Zentrum gelöst, und zwar glücklich gelöst, aber, so sagt man, damit hätte das Zen­trum oder überhaupt eine konfessionelle Partei die Daseinsberech­tigung verloren. Die Kirche wird ja heute als solche von Parteien- hoffentlich nicht mehr angegriffen. Eine Partei hat aber in erster Linie die Aufgabe, für den Staat zu sorgen und nicht für die Kirche. Ich halte diesen Gedanken für richtig, nur ziehe ich eine andere Konsequenz daraus. Eine konfessionelle Partei in dem Sinne, daß sie primär oder gar ausschließlich die Verteidigung der kirchlichen Inter­essen, die sogenannten kulturpolitischen Belange, zu vertreten hätte, kann grundsätzlich abgelehnt werden, könnte höchstens aus der Not der Zeit heraus wieder einmal vorübergehend berechtigt sein.

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Ganz anders aber, wenn man unter einer konfessionellen oder, besser gesagt, christlichen Partei eine Gruppe von gläubigen Christen versteht, die aus ihrem Gewissen heraus sich verpflichtet fühlen, an der Verwirklichung der christlichen Gesellschaftsordnung mitzuar­beiten. Darauf kann kein überzeugter Christ verzichten: Mit welchem Recht könnte man gläubigen Katholiken gegenüber, die sich verant­wortlich fühlen für das Schicksal ihres Volkes, sagen: Ihr dürft euch nicht zusammenschließen, das widerspricht dem Willen Gottes. Das kann doch niemand im Ernst behaupten wollen.

Hier spukt nun vielfach heute, wie man sagt, das englische Vor­bild in manchen Köpfen und bringt Verwirrung. Es gibt nämlich nicht wenige unter uns, die meinen, es wäre für die Religion und auch für die Verwirklichung der christlichen Staatsauffassung vorteilhaft, wenn gläubige Christen in allen Parteien unterzukommen und mit­zuarbeiten versuchen. So ähnlich soll es in England sein. Ich weiß nicht, ob das ganz richtig ist; ich weiß auch nicht, ob man ohne weite­res die Tradition eines Landes in ein anderes verpflanzen kann. Ich hätte an sich praktisch nichts dagegen, ja ich würde es geradezu wün­schen, wenn recht viele gläubige Christen auch in anderen Parteien

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