lagen, gleichsam im luftleeren Raum. Das wäre Flucht vor der von Gott gewollten Situation. Der Schöpfer hat uns hineingestellt in diese Welt; hier in dieser Welt müssen wir bauen am Reich Gottes, also auch mitarbeiten in dieser Welt, auch in der Politik als der großen und schweren Kunst, das Zusammenleben der Menschen in dieser Welt nach dem Willen Gottes zu gestalten. Es gibt keinen ,, rein religiösen" Raum. Religion an sich ist nur ein Begriff, eine Idee. In der Wirklichkeit gibt es weder ein Ding an sich, noch Religion an sich, noch Politik an sich, sondern der Mensch in seiner realen Existenz muß mit all diesen Dingen fertig werden. Im existen­tiellen Menschen kreuzen sich Religion, Politik, Wirtschaft. Der Mensch ist nicht zusammengeleimt aus ein Drittel Weltanschauung, ein Drittel Politik und ein Drittel Wirtschaft. Der Mensch ist ein organisches Ganzes; Natur und Übernatur gehören nach dem Willen Gottes zusammen, sie sind nicht zwei Stockwerke, von denen wir uns eines nach Belieben wählen können, sie greifen organisch ineinander. Es ist eine Krankheit unserer Zeit, eine Erbschaft des Liberalismus und Rationalismus, daß man sie künstlich trennen will. Es wäre an der Zeit, daß wir Katholiken endlich einmal die alten Schlager begraben. Es ist tief bedauerlich, daß auch heute noch Katholiken und Prote­stanten, die es gut meinen, vor allem Jugendliche, sich immer wieder blenden lassen von dem alten Schlagwort: Religion und Politik haben nichts miteinander zu tun. Vielleicht wäre es schön, wenn es so wäre, aber die Wirklichkeit spricht eine andere Sprache. Was Gott ver­bunden hat, das soll und kann der Mensch nicht trennen.

Die Antwort auf die erste Frage kann also nur lauten: Wir wollen, ja wir müssen versuchen, auch die Welt, auch den Raum des Politi­ schen zu taufen und nach dem Willen Gottes zu gestalten. Das ist Gewissensspflicht, ist christliches Verantwortungsbewußtsein vor Gott und vor der Welt.

Sind Parteien notwendig? Ich glaube ja; ich kann mir keine Politik in einem demokratischen Staat vorstellen ohne klar umrissene Ge­bilde, in denen die politischen Ideen sich kristallisieren und nach außen zu wirken versuchen.

Wie viele Parteien? Das läßt sich nicht von oben diktieren, auch nicht grundsätzlich entscheiden. Parteien sollen wachsen, nicht ge­macht werden. Was ungesund ist, wird von selbst wieder vergehen. Auch hier habe ich manchmal den Eindruck, daß wir alle zuviel an­gesteckt sind von dem hysterischen Geschrei der vergangenen Zeit über das Unglück der Parteienwirtschaft. Das war doch von Anfang an ein unehrliches Manöver von Menschen, die nichts erstrebten als Diktatur einer einzigen Partei. Das war Parteiwirtschaft schlimmster Sorte, was wir in den zwölf Jahren des Hitlerregimes erlebten. Man

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