manche tun, die besonders exponiert waren im Kampf, denn sie wußten, daß ihr Leben auf dem Spiel stand. Ich möchte keinem dieser Männer einen Vorwurf daraus machen; aber ich wehre mich dagegen, wenn ein solcher Mann jetzt nach zwölf Jahren zu uns kommt und uns, die wir zwölf Jahre in der Hölle ausgehalten haben, Vorwürfe macht, weil wir nicht so gehandelt hätten, wie er es sich im Ausland vorstellte. Der Mann hat zwölf Jahre geschwiegen, der soll jetzt auch schweigen.

Zweite Möglichkeit. Der Mann, von dem wir sprechen, zieht sich zurück ins Privatleben und sagt sich, ich kann nicht mitarbeiten. Man will meine Mitarbeit gar nicht im Dritten Reich , also lebe ich still und ruhig für meine Familie. Das ist gerade nicht heroisch, aber man kann deswegen niemand einen Vorwurf machen. Den meisten Men­schen blieb gar nichts anderes übrig.

Dritte Möglichkeit. Der Mann geht in die illegale Opposition. Es war ja jede Opposition im Dritten Reich verboten. Das war ein ge­fährlicher Weg. Der Mann mußte sich sagen, daß er mit seinem Kopf spielt, und tatsächlich haben die meisten diesen Weg mit ihrem Leben bezahlt. Wer aber bewußt diesen Weg gegangen ist, hat zweifellos heroisch gehandelt.

Vierte Möglichkeit. Das ist der Weg, den die katholische Kirche gegangen ist, auch die evangelische, auch die Bayerische Volkspartei und das Zentrum. Das ist der Weg, den man vielleicht mit folgendem Gleichnis erklären kann: Was soll man tun, wenn zwei Pferde durch­sind? Man läuft ein Stückchen mit und versucht noch einen gegangen Zügel zu erhaschen, um vielleicht das Unglück zu verhindern, ehe es zu spät ist. So hat Papst Pius XI. gehandelt, als er im Jahre 1934 das Konkordat abschloß mit Hitler , um dann freilich im Jahre 1937 in seiner berühmten Enzyklika ,, Mit brennender Sorge " der ganzen Welt sagen zu müssen, daß mit dem Nationalsozialismus nichts zu machen sei. Aber wer möchte dem Papst einen Vorwurf daraus ma­chen, daß er diesen letzten Versuch gewagt? Und so hat auch das Zentrum und die Bayerische Volkspartei geglaubt, diesen letzten Versuch machen zu müssen; freilich umsonst. Ich war schon immer davon überzeugt, daß am Nationalsozialismus nichts zu retten ist. Ich habe das auch immer gesagt und bin deswegen oft in Ungnade gefallen. Aber niemand hat nach meiner Auffassung das Recht, dem anderen einen Vorwurf zu machen, weil er einen anderen Weg ge­gangen ist. Im Prinzip waren wir uns alle einig.

Dabei dürfen wir eines nicht übersehen, Hitler wäre seinen Weg gegangen, auch wenn er damals keine Zweidrittel- Mehrheit im Reichstag bekommen hätte. Hitler hatte die Macht, die hatte ihm Hindenburg vorher schon gegeben, und er war entschlossen, die

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